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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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ich mich in einem Gitterbett finden, vielleicht in einer Zwangsjacke. Gott, es muß ja entsetzlich um mich stehen.
    Jakob öffnete ein Auge. Jakob öffnete das zweite.
    Jakob fuhr in grauenvollem Entsetzen empor, stand schwankend auf dem weißen, heißen Sand von Beau Vallon.
    Er hielt sich den Kopf.
    Die Brandung schäumte, die Palmen rauschten, die langflügeligen Vögel flogen schreiend hoch über ihm. BAMBI entfloh kreischend, nackt, wie Gott sie geschaffen hatte. Und nackt, wie Gott ihn geschaffen hatte, stand Jakob Formann vor der sehr ergrimmten ›Sehr Edlen und Sehr Mächtigen Frau‹, Baronin von Lardiac, Edle Frau und Gerichtsherrin von Valtentante, erbliche Palastdame am Hof von Jerusalem zufolge des Privilegs, verliehen der sehr ruhmreichen Familie Lardiac durch Kaiser Friedrich den Zweiten, späterhin König von Jerusalem.
    »Baronin …«, lallte Jakob.
    »Was fällt Ihnen ein, mich so zu hintergehen und auszureißen und sich hier mit einem Mädchen … Ich kann nicht mehr, das ist der Gipfel der Obszönität … Das ist zuviel … Ich sterbe vor Scham …« Und sie kippte rückwärts.
    Immer laß sie kippen, die verfluchte Bestie, dachte Jakob. Doch dann bekam er einen zweiten Schreck. Hinter der Edlen hatte die schöne Claudia gestanden. Jakob sah das erst jetzt. Die schöne Claudia fing das kippende Tantchen gerade noch rechtzeitig in ihren Armen auf und hielt die Ohnmächtige dann reglos, den Blick gebannt auf den splitternackten Jakob gerichtet. Auf einen Teil des splitternackten Jakob.

30
    »Ich habe sie natürlich Knall und Fall gefeuert«, sagte Jakob Formann. Er lag auf einer Ledercouch und starrte die Zimmerdecke an. Die Zimmerdecke befand sich in dem Ordinationsraum des Dr. Jerome Watkins, des großartigsten Psychoanalytikers von Washington.
    Knall und Fall hatte Jakob die Sehr Edle und Sehr Mächtige an jenem 3. Januar 1957 gefeuert, und noch am gleichen Tag war er von den Seychellen nach Washington geflogen. Zu diesem wundervollsten aller Analytiker. Dr. Watkins, fett, kahlköpfig und kurzbeinig, saß hinter Jakobs Kopf in einem bequemen Lehnstuhl, lächelnd die Händchen über dem Bauch gefaltet wie ein Buddha.
    Die Stille wurde unerträglich.
    »Warum sagen Sie denn nichts, Doktor? War das nicht richtig von mir?«
    »Hm«, machte Dr. Watkins.
    »Was heißt hm?«
    »Was meinen
Sie? War
es richtig?«
    »Ich weiß es nicht, Doktor. Darum habe ich ja alles stehen und liegen lassen und bin sofort zu Ihnen geflogen.«
    »Hm.«
    »Warum machen Sie immer ›hm‹, Doktor?«
    »Weil ich
immer
›hm‹ mache. Wie alle guten Analytiker. Das ist ein ermunterndes ›hm‹, Mister Formann. Es soll Sie ermuntern, weiter aus sich herauszugehen. Nur so kann ich Ihnen helfen!«
    »Ich verstehe. Ja, also was fange ich jetzt ohne die Edle an, die mir Benimm und Bildung beibringt? Ich meine Essen kann ich schon halbwegs nach der Art der feinen Leute. Aber sonst … Kunst …«
    »Hm.«
    »… Malerei …«
    »Hm.«
    »… Literatur …«
    »Hm. Sagen Sie, Mister Formann, wie war es überhaupt möglich, daß die Baronin Ihnen auf die Seychellen folgte?«
    »Sie hat mir nachspioniert und herausgefunden, wo ich bin.«
    »Das ist mir klar. Aber woher hatte sie das Geld? Sie sagten, die Dame sei ziemlich mittellos.«
    »Das ist sie auch.«
    »Und da fliegt sie – noch dazu in Begleitung! – von Hamburg aus auf eine Insel im Indischen Ozean?«
    »Na ja, das war eben auch falsch von mir, Doktor.« Jakob seufzte.
    »Hm?«
    »Daß ich der Edlen Vollmacht für eines meiner Spesenkonten gegeben habe. So hat sie einfach einen Scheck ausgeschrieben und ist zur Bank gegangen und – muß ich weitersprechen?«
    »Nein, danke! Das genügt«, sagte der Doktor und dachte: Mit
dem
eine Psychoanalyse? Eine große Analyse? Kommt ja gar nicht in Frage! Geld genug für eine große Analyse hat er ja zwar ganz offensichtlich. Aber so, wie der redet über das, was er tut und läßt – so blöd, wie der ist, da lassen wir das hübsch sein. Gewiß, eigentlich … eine große Analyse … Aber der Kerl ist ja dauernd in der ganzen Welt unterwegs … Wie er das nur macht mit seiner Blödheit? Also keine Analyse! Wir können ja auch anders! Und das bringt auch sein Stückchen Geld … und außerdem schneller … Also sagte er zu Jakob: »Hm. Behaviour Therapy.«
    »Bitte, was?«
    »Verhaltenstherapie. Seien Sie ganz ohne Sorge. Sie bekommen wir mit Behaviour Therapy hin, auch ohne Ihre Baronin.«
    »Dem Himmel sei

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