Hurra, wir leben noch
Allmachtsphantasien, haben ein Streben nach Macht, und damit wollen Sie Ihre Minderwertigkeitsgefühle neutralisieren.
Darum
haben Sie soviel geschaffen,
darum
haben Sie soviel geleistet! Die Minderwertigkeitsgefühle waren zuerst da, deshalb die Leistung. Nicht, wie Sie meinen, zuerst die Leistung und dann die Minderwertigkeitsgefühle.«
»Aber …«
»Bitte, unterbrechen Sie mich nicht! Und diese Minderwertigkeitsgefühle sind natürlich durch sexuelle Störungen entstanden.«
»Sexuelle …?«
»Selbstverständlich. Sehen Sie: Sie können nicht, und deshalb versuchen Sie immer, das durch ständige Betriebsamkeit zu kompensieren.«
»Aber hören Sie …«
»Da haben Sie es: Machtstreben zur Abwehr der Angst. Der Sexualangst in Ihrem Fall natürlich, Mister Formann. Haben Sie auch schweinische Vorstellungen?«
»Und ob, Doktor!«
»Und Sie leiden unter ihnen.«
»Leiden? Ich genieße sie!«
»Entschuldigen Sie, wenn ich auf diese Frech … äh … Antwort hin deutlich werden muß. Wie ist Ihre Stellung zur Vagina?«
»Na, schräg nach oben, Doktor, wie denn sonst?«
»Mister Formann, wollen Sie sich über mich lustig machen?«
»Keinesfalls, Doktor, ich …«
»Hm! Also ganz brutal: Wann haben Sie zum letzten Mal?«
»Vor zwei Stunden, bevor ich zu Ihnen kam. Im Hotel. Ich sagte Ihnen doch, BAMBI ist mit mir geflogen …«
»Was?«
»Tut mir leid, ja.«
»Hm, hm, und seit wie langer Zeit war das wieder einmal? Ich meine: Welcher Durchschnittswert ergibt sich wohl bei Ihnen, Mister Formann?«
Jakob durchlebte gerade das letzte Treffen mit BAMBI im Detail. Mechanisch antwortete er: »Na, so ein- bis zweimal am Tag …«
»Wie oft?«
»Im Durchschnitt! Danach haben Sie ja gefragt! Es gibt natürlich auch Tage oder ganze Wochen ohne. Dafür dann wieder viel, viel öfter. Aber im Durchschnitt, also: ein- bis zweimal täglich.«
»Ein- bis zweimal … Was ist denn
das?
«
»Was bitte?«
»Sehen Sie sich an! Nicht so! An sich herunter, Mister Formann!«
»An mir herunter … O Gott, das ist mir aber peinlich. Verzeihen Sie, ich habe gerade an BAMBI gedacht, und da passiert das ganz von selber …«
Der Seelenarzt war erschüttert.
»Hm, hm, hm. Mein armer Freund. Das ist ja noch schlimmer, als ich dachte. Don Juanismus.«
»Don … Bitte schauen Sie ihn nicht immer an, Doktor, dann geht er nie wieder weg! Don … was sagten Sie da eben?«
»Don Juanismus. Diese zügellose Erregbarkeit. Eine schwere Störung, mein lieber Freund, hm, hm.«
»Schwere Störung?«
»Sie sehen es ja selber … Das ist übrigens ein absolut eindeutiges Zeichen für Sexual
schwäche
, dieser Don Juanismus!«
Also gestört bin ich auch. Grauenvoll. Und das alles doch wohl nur, weil ich den Hasen verlassen habe, dachte Jakob, da sagte der Analytiker schon: »In diesem Zusammenhang: Was Sie mir da von Ihren Träumen erzählen, in denen Sie immer von vergangenen Taten und Erlebnissen träumen, insbesondere von diesem Kaninchen …«
»Hasen, bitte, Herr Doktor! Mein geliebter Hase. Die beste Frau von allen! Ich habe sie verlassen … verraten … alles falsch gemacht! Nie, nie, nie mehr kommt sie zu mir zurück. Das quält mich am meisten in diesen verfluchten Träumen!«
»Sehen Sie, lieber Freund, und das ist das einzige, aber wirklich auch das einzig Erfreuliche an Ihnen.«
»Wieso, bitte?«
»Ein Mann mit einem solchen Don Juanismus, einer solchen Charakterneurose
muß
so träumen, Mister Formann! Sein Unterbewußtsein versucht auf diese Weise die Schlacken seiner Psyche zu entfernen. Sie leisten Trauerarbeit mit Ihren Erinnerungsträumen. Das ist Ihre letzte Chance, mein lieber Freund, noch einmal vielleicht – vielleicht, sage ich, und das bedeutet Schwerstarbeit für mich – normal zu werden und ein erfülltes Leben zu führen.«
»Und … und den Hasen zurückzubekommen?«
»Und den Hasen zurückzubekommen, Mister Formann.«
Jakob fühlte sich plötzlich ganz prächtig wohl.
»Die fünfundvierzig Minuten sind um, Mister Formann, erheben Sie sich.«
»Ich danke Ihnen, Doktor. Sie sind wahrhaftig der Größte, also wirklich!«
»Seien Sie ganz ohne Sorge. Sie stellen einen meiner kompliziertesten Fälle dar – aber ich hoffe, ich werde auch aus Ihnen wieder einen gesunden, glücklichen Menschen machen können. Die Honorarfrage regeln Sie draußen im Vorzimmer. Ich nehme immer pro Sitzung. Das ist einfacher so. Für Sie. Und für mich. Sie kommen … kommen …« Dr. Watkins
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