Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Dank. Behaviour Therapy!«
    »Sie haben natürlich keine Ahnung, was das ist, obwohl es weltweit praktiziert wird, wie?«
    »Nein.«
    »Hm.«
    »Was ist es, Doktor?«
    »Hm. Ich glaube nicht, daß ich es Ihnen erklären kann. Der Großvater der Behaviour Therapy, so darf man wohl sagen, war der Professor Iwan Petrowitsch Pawlow. Nobelpreis 1904 für seine Arbeiten zur Physiologie der Verdauung …«
    »Entschuldigen Sie, Doktor, aber mit meiner Verdauung ist alles in Ordnung!«
    »Hm.«
    »Bitte?«
    »Nichts, nichts. Ihre Reaktion auf meine Worte.«
    »Wie war die? Falsch? Frech? Meine Verdauung ist aber wirklich …«
    »Hm. Passen Sie auf, ich erzähle Ihnen jetzt eine Geschichte. Genauso, wie ich sie erzähle, ist sie sicher nicht passiert. Aber bei Ihrer … primitiven Grundstruktur … Hm … Also: Pawlow experimentierte mit Hunden, wissen Sie. In Sankt Petersburg … Hm … Hunde in einem Zwinger … Das Futter brachte ein Wärter immer auf einem Wägelchen. Wenn er die Tür aufstieß, ertönte ein Bimmeln.«
    »Ein was?«
    »Ein Bimmeln. An der Tür oben war eine Klingel.«
    »Ach so. Und nun, Doktor?«
    »Und wenn also der Wärter mit dem Fressen für die Hunde hereinkam, dann, so bemerkte Pawlow, fingen die bereits zu sabbern an! Neunzehnhundertzwölf gab es eine große Sturmflut in Sankt Petersburg. Alle Kirchenglocken läuteten Katastrophenalarm. Professor Pawlow war bei seinen Hunden. Was soll ich Ihnen sagen? Pawlow staunte nicht schlecht, als alle seine Hunde zu sabbern anfingen! Weit und breit kein Futter! Nur die Glocken – wie die Bimmel! Das genügte ihnen schon! Toll, wie?«
    »Hm«, machte Jakob. »Pardon, das Hm ist Ihr Hm!«
    »Jetzt ging Pawlow systematisch vor. Wenn die Hunde schon beim Bimmeln und beim Glockenläuten sabbern, ohne daß sie das Futter auch nur sehen oder schnuppern – vielleicht läuft ihnen beim Bimmeln das Wasser nicht nur im Maul zusammen, sondern auch im Magen. Also legte er Magenfisteln an.«
    »Magenfisteln …«
    »An den Hunden …« Dieser Watkins stinkt wie eine ganze Parfümerie, dachte Jakob benommen. Parfümiert der sich? Oder hat der die junge Dame, die vor mir da war …? Auf seinem Hemdkragen habe ich jedenfalls einen Lippenstiftfleck gesehen. »Also, Pawlow ließ jetzt nur noch die Bimmel ertönen, indem er die Tür auf und zu machte – und alle Hunde sabberten und sonderten durch die Fistel Magensaft ab – wie gesagt, das Wasser, das ihnen im Magen zusammenlief. Und diese Ursachenverkettung: erst Futter und Bimmeln und Sabbern, und dann Bimmeln und Sabbern
ohne
Futter, die nannte Pawlow einen Bedingten Reflex. Ich hoffe, Sie haben das einigermaßen verstanden.«
    »Hören Sie, Doktor, wollen Sie mir vielleicht auch Magensaft abzapfen und mich sabbern lassen?«
    »Hm.«
    »Was, hm?«
    »Aggressiv noch und noch.« Und nun murmelte der fette Doktor vor sich hin: »Übel, übel. Ist schon eine Charakterneurose … Nein, Magensaft nicht, Mister For …« Das Telefon läutete. Der parfümierte Seelenkundige hob ab und bellte in den Hörer: »Sind Sie wahnsinnig geworden, Eileen? Sie wissen doch, daß Sie nicht verbinden dürfen, wenn ich einen Patienten … Ferngespräch? … New York? Ja, natürlich, stellen Sie durch, Eileen.« Dr. Watkins sagte, nach Block und Bleistift greifend: »Mein Broker. Nur einen Moment, Mister Formann. Er gibt mir die letzten Börsenkurse aus Wallstreet durch. Sie verzeihen.«
    »Aber selbstverständlich«, knurrte Jakob.
    »Hallo … Hallo … Oh, hallo, Rod! Also, wie steht’s? … Hm … Hm … Ja, ich schreibe mit … Philips sechs Punkte plus, steigend … Unilever unverändert … Royal Dutch drei Punkte, zögernd …«
    Jakob nahm einen Notizblock aus der Tasche und schrieb eifrig im Liegen mit. Das ging so eine ganze Weile, bis Sperry Rand kamen. Dr. Watkins wurde aufgeregt: »Sperry Rand zweihundertachtundachtzig? Das gibt es doch nicht! Das ist ja unglaublich!«
    »Wirklich unglaublich«, attestierte Jakob verblüfft.
    »… ja, Rod, natürlich ist das der Höhepunkt! Morgen sausen Sperry Rand runter, aber wie! Da hat einer dran gedreht, damit die Doofen … Aber wir sind nicht doof, Rod, wir nicht! … Na klar, verkaufen! Weg damit! Alles! Weg. Weg. Weg! … Okeydokey, Rod, ich danke Ihnen. Sie rufen morgen um diese Zeit … Sehr gut, sehr gut … bye, Rod.« Dr. Watkins legte den Hörer in die Gabel. »Hm. Solche Bedingten Reflexe kann man nun ausbilden, Mister Formann. Ein Unbedingter

Weitere Kostenlose Bücher