Hurra, wir leben noch
›Exzellenz‹.«
»Jawohl, Exzellenz«, wiederholte Jakob im Tonfall eines leicht Verblödeten.
»Und wenn Sie sich von Seiner Exzellenz verabschieden, dann sagen Sie um alles in der Welt, ich flehe Sie an, nicht: Und einen Handkuß an die werte Frau Gemahlin!«
»An die werte Frau …« Der Groschen fiel, Jakob fuhr zusammen. »Niemals, Großmeisterin, niemals werde ich das tun!«
»Gut. Zahlung in bar. Schecks werden nicht angenommen.«
»Ja, ich weiß nicht, ob ich soviel bar dabei habe … Wenn wir jetzt doch auch noch persönlich vereinbaren müssen …«
»Dann also werde ich Ihnen die Weihen morgen zuteil werden lassen«, sagte die Edle. »Da können Sie inzwischen zur Bank gehen. Und nun zu der persönlichen Vereinbarung. Sie haben mir die schwerste Kränkung meines Lebens bereitet, Herr Formann …«
»Ich weiß. Und es tut mir auch unendlich leid, Großmeisterin …«
»›In unsrer Welt kann Unrecht man mit vergoldeter Hand beiseite schieben‹, sagt Hamlet.«
»Wie heißt der Herr?«
»Hamlet, Sie Unverbesserlicher! Von dem unsterblichen William Shakespeare!«
»Da kommt mir eine großartige Idee, Baronin Großmeisterin!« gab Jakob bekannt. »Könnten wir nicht auch den Herrn Shakespeare einladen, wenn er so berühmt ist!«
Die Edle lief purpurn an, beherrschte sich mit aller Kraft und gab gepreßt eine Erklärung ab.
»Ach so ist das«, murmelte Jakob danach. »Ich habe ja auch nur daran gedacht, den Herrn Shakespeare einzuladen, weil Sie gesagt haben, er ist unsterblich. Jetzt sagen Sie mir, der arme Herr ist schon sechzehnhundertsechzehn gestorben. Da dürfen Sie doch nicht sagen: unsterblich. Das bringt einen natürlich ganz durcheinander.«
»Herr Formann!«
Jakob winkte ab.
»Jajaja, ist ja schon gut. Also, dann lassen Sie uns mal beiseite schieben mit vergoldeter Hand, Großmeisterin …«
20
»Z … Zwei … Zweiter August neunzehnhundertzweiundsechzig … D … Das Fest des Ja … Jahrzehnts ha … hat begonnen«, sprach Klaus Mario Schreiber, sanft besoffen, in ein Mikrofon. Das Tonbandgerät, das dazugehörte, hing an einem Riemen über seiner Schulter und wog knappe drei Kilo. Vor dreizehn Jahren, am Ende der Blockade Berlins, hatte Schreiber noch einen Tonbandkoffer benützt, der seine zweiundzwanzig Kilogramm gewogen hatte. Vollaufen lassen hatte er sich damals noch mit ›Johnnie Walker‹-Whisky. Jetzt, dreizehn Jahre später, besoff er sich mit ›Chivas Regal‹, und im Glase befand sich sogenanntes ›Polareis‹, das scheußlich schmeckte, dafür aber sehr teuer und infolgedessen der letzte Schrei der ganz feinen Leute war. Es kam von dorther, was der Name vermuten ließ. Beim Auftauen knisterte es dauernd. Aus diesen beiden Veränderungen mag man wohl den Fortschritt der Menschheit erkennen.
Schreiber trug einen Smoking. Seine Akne war fast verschwunden, nur noch wenige Pickel verunstalteten das Gesicht. Jakob hatte ihn, den Starfotografen Senkmann, drei weitere Reporter von OKAY und drei weitere Fotografen einfliegen lassen. Sie alle wieselten nun hier herum, denn OKAY sollte ganz groß über Jakobs Fest im CHÂTEAU NATASCHA auf Cap d’Antibes berichten.
»… es ist ein … einfach phan … phantastisch, wa … was hier vor sich ge … geht«, sprach Schreiber, auf dem Sockel einer Marmorgestalt von Überlebensgröße hockend, sanft und scheu in sein Mikrofon. Er nahm einem vorbeieilenden livrierten Diener ein neues Glas Whisky von dem Silbertablett, auf dem er das leere abgestellt hatte, genehmigte sich einen großen Schluck und fuhr fort: »B … Blöd … Blödsinnige Angeberei, neureiche, besch … beschissene! Kö … Könige im Exil … Thronprä … prätendenten, … die erste Ga … Garnitur von Hollywoods Schauspieler … spielern und R … Regisseuren … die berühmtesten Sänger und Sänge … Sängerinnen der Me … Me … Met. Ma … Maler von Welt … Weltruf. T … Tänzer un … unseres Jahr … hunderts … Da, im Ge … Gespräch, l … lachend und g … gelöst … Liz Taylor und Ri … Richard Burton … mein Go … Gott, sie vergöttert ihn, er ver … vergöttert sie … Nie … Niemals we … werden die … diese bei … beiden wu … wunderbaren Menschen auseinandergehen! Nie … Niemals! … Und da … die größten Re … Reeder der Welt, die mäch … mächtigsten Ban … Bankiers, Ko … Ko … Konzernherren, die be … berühmtesten Wiss … Wissenschaftler … die
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