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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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phantastisches Abendessen zu dritt.
    Fünf Geiger, die von Tisch zu Tisch gingen, spielten schwermütige russische Weisen für ein fast ausschließlich amerikanisches Publikum. Und das war ungemein zahlungsfähig. Ein Amerikaner, der anno 1947 einen Scheck über nur dreißig Dollar hergab, erhielt dafür – durch gefällige Vermittlung der Herren Schieber – eine Summe französische Francs, die normalerweise der Kaufkraft von einhundertfünfzig Dollars entsprach. Die Amerikaner empfahlen einander die Schieber, denn natürlich dachte keiner von ihnen daran, seine Dollars bei der Banque de France einzuwechseln, die nur den Tageskurs zahlte.
    »Einen Ami, der so blöd ist, daß er das macht, den gibt’s nicht«, hatte der Arnusch gesagt. Und auf dieser einfachen Erkenntnis basierte der ganze Plan, der nun Wirklichkeit werden sollte.
    »Er heißt Robert Rouvier. Die Adresse und die Telefonnummer des Schweinehunds stehen auf der Rückseite des Fotos, Sir«, sagte der argentinische Handelsattaché Amadeo Juarez.
    »Der sieht aber gar nicht aus wie ein Schweinehund«, sagte Jakob. »Wenn ich eine Frau wäre – in den täte ich mich verknallen.«
    »Das tun die Frauen ja auch ununterbrochen«, sagte Juarez, ein plumper Mann von solcher Häßlichkeit, daß sie bereits faszinierte: Halbglatze, bleiches, rundes Gesicht, Schnüffelnase und Mäusezähnchen, die sich hinter den wulstigen Lippen eines schiefen Mundes verbargen: Das ist Amadeo Juarez, der Wüstling, der Frauenheld, der pathologische Rammler, dachte Jakob. Extrawünsche hat er vermutlich auch. So was geht natürlich ins Geld! Und der Schöne, der auf dem Foto, der gar nicht aussah wie ein Schweinehund, sondern wie ein barmherziger Samariter, dieser Robert Rouvier, dieser bedenkenlose Schieber und Schuft – so etwas an Charme und männlicher Schönheit hatte Jakob noch nicht gesehen. Dieses Lächeln! Diese Zähne!
    »Ich weiß, was Sie denken, Sir«, sagte der Handelsattaché, Speichel versprühend. ’n Sprachfehler hat er auch noch, dachte Jakob. »Man muß nicht aussehen wie ein Schweinehund, um einer zu sein. Das gilt für den da ebenso wie für mich … Schon gut …! Es ist lieb von Ihnen, daß Sie widersprechen wollen, aber ich weiß, wie ich ausschaue! Und ich bin keiner! Der da hingegen …« Flink wie ein Taschenspieler legte Amadeo Juarez eine Reihe anderer Fotos auf den Tisch. »Die schickt Ihnen Monsieur Arnusch. Sie sehen die beiden Landsitze dieses Schweinehunds Rouvier, ein Schloß, das ihm gehört, sein Stadtpalais – und hier wäre eine kleine Auswahl seiner Opfer. Der und der und der hier haben sich in den letzten Monaten das Leben genommen, nachdem Rouvier ihnen alles andere genommen hatte.« Weitere Fotos. »Das hier sind Kopien der Abschiedsbriefe, die von der Polizei gefunden und an alle Devisenfahnder weitergegeben wurden – also auch an Monsieur Arnusch. Monsieur Rouvier ist ein ungemein gerissener Schweinehund. Die Polizei, die Fahnder, sie können ihm nichts nachweisen. Niemals! Man lasse ihn so weitermachen – noch ein, zwei Jahre –, und ganz Belgien wird im Eimer sein!«
    »Da hörst du es, Darling«, sagte Laureen.
    Die fünf Geiger spielten das Lied von Stenka Rasin.
    »Ich sehe jetzt zweifelsfrei, daß es sich um eine zutiefst moralische und gerechte Sache handelt, die wir erledigen müssen – schon im Gedenken an die unglücklichen Toten.« Jakob unterbrach sich, erstens, um Laureen die Hand zu küssen, zweitens, weil gerade die Vorspeise – große Belon-Austern – serviert wurde. »Vielen Dank, Towaristsch«, sagte Jakob freundlich und auf russisch zu dem Kellner, der – wie alle seine Kollegen und die Musiker – eine Russenbluse trug. In der Sowjetunion war Jakob lange genug gewesen, um ein wenig von der Landessprache zu erlernen. Zu dem Getränkekellner, der mit einer Flasche eisgekühltem Wodka bereitstand, sagte er, ebenfalls auf russisch: »Mir keinen Wodka, bitte, mir ein ›Perrier‹!«
    »Bedaure, Monsieur«, sagte der Kellner auf französisch, »ich habe Sie nicht verstanden.«
    »Ich auch nicht. Wir können nicht Russisch«, sagte der Sommelier, gleichfalls auf französisch.
    Jakob sagte auf englisch: »Ich verstehe nicht Französisch.«
    Der Handelsattaché sprang ein: »Erlauben Sie …« und übersetzte zum einen Jakobs Wünsche auf französisch und zum andern die Antworten der Kellner auf englisch.
    Die Kellner nickten erfreut. Sie waren beide noch jung und russische Prinzen. So

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