Hush Hotel
einziehen.”
Quentin konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt ein so leckeres selbst gemachtes Essen verzehrt oder einen so interessanten Abend erlebt hatte. Evans Ankündigung hatte Shandi völlig unvorbereitet getroffen.
Merkwürdig, dass ihr Mitbewohner diese Neuigkeit vor einem unbeteiligten Besucher äußerte. Was wusste Quentin schon von Shandis Beziehung zu den beiden anderen?
Er war eigentlich davon ausgegangen, dass Shandi mit April zusammenwohnte und Evan derjenige war, der immer zu Besuch kam. Aber es war genau umgekehrt.
Bevor das Thema gewechselt wurde, war es Quentin immerhin gelungen herauszufinden, dass die Wohnung, in der Shandi und Evan wohnten, seiner Großmutter gehörte und die beiden keine Miete zahlen mussten, da sie kein Paar waren.
Ihm waren die Einzelheiten zwar nicht ganz klar, und man erklärte sie ihm auch nicht, aber es schien auf der Hand zu liegen, dass Shandi im Falle eines Umzugs Geld für die Miete aufbringen musste und nicht wusste, woher es kommen sollte. Außerdem wollte sie gar nicht umziehen.
Das konnte er verstehen. Er stand in der Küche, die ihn an die Küche aus der Serie
Friends
erinnerte, und schenkte ihr Wein nach.
Endlich waren sie allein. Die beiden anderen waren gegangen, nachdem sie alle gemeinsam die Küche aufgeräumt hatten. Shandi hatte nicht viel gesagt, als sie die Teller abgekratzt und in die Spülmaschine gestellt hatte.
Er wusste, dass sie mit den Gedanken woanders war. Sie rechnete sich vermutlich schon aus, wie sie einen Umzug realisieren sollte, der nicht nur ihre Zeit in Anspruch nehmen, sondern für sie auch Mehrarbeit in der Bar bedeuten würde, damit sie ihn sich überhaupt leisten konnte.
Er nahm die beiden Weingläser und ging zu ihr rüber. Sie stand vor den großen Fenstern und starrte hinaus in die Nacht. Ihm fiel plötzlich ein, dass sie ihre Seminararbeit noch immer mit keinem Wort erwähnt hatte.
Stattdessen hatten sie den ganzen Abend zwanglos über dies und jenes geplaudert, man hatte ihm Fragen zu seinem Beruf gestellt und hin und wieder gab es Andeutungen in Bezug auf Evans Ankündigung.
Es war Zeit, dass sie auf andere Gedanken kam, fand er, und gab ihr ein Glas. “Kein schlechter Blick, wenn da nicht die Häuser wären.”
“Haha”, sagte sie und nahm das Glas, trank aber nicht. “Ich sehe mir den Himmel an. Oder das, was man davon sieht.”
Das war nicht gerade viel. Gerade mal ein paar Sterne. Ein Stückchen Mond. “Was ist denn auf dem Dach?”
Sie überlegte kurz, dann zuckte sie mit den Schultern. “Keine Ahnung. Ich war noch nie oben.”
“Nein? Dann lass uns doch mal nachschauen.”
Sie sah ihn an. “Du willst aufs Dach gehen?”
“Warum nicht? Von da oben sieht man bestimmt mehr vom Himmel.” Er streckte die Hand aus. Sie zögerte kurz, ergriff sie aber schließlich doch.
Sie gingen zur Tür, sie schnappte sich ihren Schlüsselbund, der daneben an einem Haken hing, schloss hinter ihnen ab und zeigte ihm, wo die Treppe war.
Vier Stockwerke später standen sie auf dem Dach. Shandi war überrascht, hier zwischen mehreren Topfpalmen einen kleinen Gemüsegarten zu finden.
“Wow! Das wusste ich gar nicht!”, sagte sie und lachte leise ihr glockenhelles Lachen. “Und ich hocke mich jeden Abend nach der Arbeit vor das blöde Fenster, wo ich genauso gut hier oben sitzen könnte!”
“Obwohl es nicht sonderlich klug wäre, mitten in der Nacht alleine hier zu sein.”
“Ja, ich weiß. Das muss man nicht wörtlich nehmen.” Sie zuckte die Achseln. “Ich träume nur.”
Sie kam ihm viel zu pragmatisch und ehrgeizig vor, um eine Träumerin zu sein. Sie war fleißig, arbeitete in der Bar und für ihr Studium, und beides war ihr sehr wichtig.
Träumen passte da nicht ins Bild. “Träumst du denn oft?”
Sofort sagte sie: “Wo soll ich die Zeit dafür hernehmen?” Das passte besser zu seiner Einschätzung, aber dann fügte sie hinzu: “Oder besser: genug Zeit, denn ich muss zugeben, dass ich schon manchmal träume.”
Schade. Er hatte gedacht, er würde sie besser kennen. “Und wovon träumst du dann?”
Sie ließ die Schultern kreisen, trank einen Schluck Wein, stellte sich unter eine der Palmen und sah plötzlich aus, als sei sie gerade einer Filmszene entstiegen.
Troja
oder
Alexander
oder sogar
Cleopatra.
“Von einem Tony, dem Oscar für das beste Make-up. Davon träumt jeder Maskenbildner.”
Er lachte, obwohl ihm eigentlich nicht danach zumute war. Sein Magen zog sich zusammen, als er
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