Hyänen
Jeder wusste, wer er war, der Sohn von Pat Cicala. Er war älter als ich, und irgendwie fand ich ihn wohl ziemlich aufregend. Na ja, kurz gesagt: Ich war jung und dumm, und wir haben geheiratet. Aber Luke ist dabei herausgekommen. Es hat sich also doch gelohnt.»
Er nickte. Der große Wagen glitt durch das letzte Tageslicht. Die ersten Sterne kamen heraus.
«Du bist sauer auf mich, stimmt’s?», fragte Gina.
Gray war verdutzt. «Nein, warum?»
«Wegen der Diamanten. Weil ich nichts davon gesagt habe.»
Er dachte nach. «Ich halte für dich und für Luke gern den Kopf hin. Aber nicht für einen Sack gestohlener Diamanten.»
«Du bist genau wie Luke. Du verurteilst mich. Du hast ja keine Ahnung, was ich dafür alles tun musste.»
Sie schwiegen wieder. Als sie in Tejada Springs ankamen, bogen sie rechts in die Tejada Springs Road ein. Es war Stoßzeit, was bedeutete, dass außer ihnen noch zwei oder drei andere Autos auf der Straße waren. Deren Scheinwerferlicht konnten auch Groh, Bulgakov, ter Horst und die Lingos sehen, die gerade den Gipfel der San-Ysidro-Berge überquert hatten und die Serpentinen in Richtung der wenigen Lichter der kleinen Stadt hinunterfuhren.
Die Kojoten beobachteten sie, als sie den Desert Club Drive entlangfuhren. Sie parkten Normans Wagen vor Normans Haus und stiegen aus. Der Hund setzte sich auf die Erde und fing an, sich die Klöten zu lecken. Plötzlich, als hätte er die Kojoten bemerkt, starrte er in die Wüste und bellte laut. Aber die Kojoten waren schon längst verschwunden.
Gray schloss die Tür auf und schaltete den Alarm aus. Sie gingen hinein.
«Jetzt waren wir also am Saltonsee», sagte Gina. «Ich gehe erst mal duschen. Ich muss diesen verfluchten Gestank nach totem Fisch loswerden.»
«Du stinkst wirklich übel», sagte Luke.
«Vielen Dank. Und was gibt’s zum Abendessen?»
«Was hältst du davon, wenn wir beide uns heute Abend ums Essen kümmern?», sagte Gray zu Luke.
«Okay. Und was machen wir?»
«Wie wär’s mit Tofupfanne?»
«Lecker», sagte Gina und ging den Flur hinunter. «Ich beeile mich beim Duschen. Freu mich schon aufs Essen.»
Sie fuhren an der Tankstelle mit Lebensmittelshop vorbei, am Souvenirladen, dem verkommenen Motel und am Tejada Springs Café. Wo die Füchse ihr Unwesen trieben. Im Suburban trank Ronnie einen Shark aus der Dose. Er öffnete das Fenster und warf die Dose hinaus, sie kullerte scheppernd über den Bürgersteig. Mac nahm sein Protecta-Gewehr vom Rücksitz und überprüfte die Magazintrommel. Zwölf Patronen, sie war voll geladen. Im Landrover saß Bulgakov am Steuer, er musste ständig niesen und schniefen. Das Astra C hatte anscheinend den Kampf gegen die Erkältung verloren. Grohs Zähne kamen zum Vorschein, als eine Welle von Schmerz durch seinen Körper fuhr. Er griff in seine Jackentasche. Lukes Socke war da. Es tat gut, sie zu berühren. Hier ging es sowieso nur um Luke. Er wollte Luke beschützen. Es würde gefährlich werden und Tote geben, deshalb musste er Lukes Schutzengel sein. Ter Horst nahm noch eine Nitro-Tablette. Der Schmerz hinter seinem Brustbein breitete sich aus, und um ihn herum flatterten die Engel. Manchmal hatte er das Gefühl, unsichtbare Federn würden sein Gesicht berühren.
Sie kamen am Trailerpark
Glückliches Hufeisen
vorbei. Bulgakov warf einen Blick auf das Navi am Armaturenbrett. Der Landrover wurde als roter Punkt angezeigt, der den Tejada Springs Boulevard entlangkroch. Sie hatten 100 Desert Club Drive als Ziel eingegeben, und eine weibliche Computerstimme befahl: «Nach neunhundert Metern rechts in die Rango Road abbiegen.»
Gina kam in die Küche. Sie trug ein hellgrünes Kleid aus dem Schrank von Normans Frau.
«Braucht ihr Hilfe?», fragte sie.
«Nö», sagte Gray. «Alles im Griff.»
Er stand am Herd und rührte irgendwelche Sachen in einer Pfanne. Luke stand am Küchentresen und schnitt eine Gurke für den Salat. Der Hund tapste mit einem zufriedenen Grinsen zwischen ihnen herum. Im kleinen Fernseher auf dem Tresen liefen die Sechs-Uhr-Nachrichten eines Senders aus San Diego. Gerade kam ein Bericht über einen Waldbrand in der Nähe von El Cajon, östlich von San Diego, der noch immer nicht unter Kontrolle war.
Gina ging zum Schrank und nahm ein Weinglas heraus.
«Möchtest du Wein?», fragte sie.
«Klar», sagte Luke.
«Ich habe Gray gefragt.»
«Klar», sagte Gray.
Sie schenkte Rotwein in zwei Gläser, ging zum Herd und gab Gray eins davon.
«Prost»,
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