Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Epperson
Vom Netzwerk:
beiden gar nicht wirklich existiert hätten.»
    «Vielleicht haben sie nicht existiert. Vielleicht existiert keiner von uns.»
    «Vielleicht verstehe ich Sie besser, wenn ich mehr trinke.»
    Sie trank direkt aus der Flasche. Sie spürte, wie sich eine angenehme Wärme in ihr ausbreitete, als würde die Sonne direkt in ihrem Herzen untergehen. Ein paar Möwen flogen die Küste entlang. Im eleganten, langsamen Flug an den Ort, an dem sie die Nacht verbringen würden. Der flache, lange Rumpf eines Öltankers zog, so unmerklich wie die Sonne, am Horizont entlang.
    «Sie lieben das wahrscheinlich sehr», sagte sie.
    «Was?»
    «Das hier.» Mit einer Handbewegung zeigte sie auf die Aussicht vor ihnen.
    «Oh ja.»
    «Sind Sie deshalb Seemann geworden? Aus Liebe zum Meer?»
    «Ich glaube, ich habe mich in eine Vorstellung vom Meer verliebt. Ich war schon siebzehn, als ich es zum ersten Mal gesehen habe.»
    «Von wo kommen Sie?»
    «Iowa. So weit wie möglich vom Meer entfernt.»
    «Was haben Sie genau gemacht auf der – wie war das –
Thompson

    «Die
Thomaston
. Ich habe im Maschinenraum gearbeitet.»
    «Dann haben Sie vom Meer aber nicht viel zu sehen bekommen.»
    «Das war mir egal. Es gefiel mir da unten. Es war wie im Herzen des Schiffs. Als ob es sterben würde, wenn wir es nicht am Laufen hielten.»
    «Weshalb haben Sie die Marine verlassen?»
    «Ich habe gemerkt, dass die Zeit reif war.»
    «Was haben Sie danach gemacht?»
    «Nicht viel. Mich treibenlassen.»
    «Man kann sich nicht ewig treibenlassen.»
    «Warum nicht?»
    «Ich glaube, Sie sind ziemlich ehrgeizig.»
    «Das mag schon sein. Auf meine eigene Art.»
    «Und welche ist das?»
    Er antwortete nicht. Sie schaute zum Motel hinüber. Ihm war aufgefallen, dass sie das alle zwanzig oder dreißig Sekunden machte.
    Im Süden startete ein Flugzeug. Sie schaute zu, wie es über dem Meer in die Höhe stieg.
    «Bleiben Sie länger hier?», fragte er. «Sie und Luke?»
    «Das weiß ich nicht. Wir leben nur von einem Tag zum anderen.»
    «Wohin sind Sie denn unterwegs?»
    «Wir lassen uns – irgendwie treiben.»
    Einer der riesigen Flügel senkte sich, und die Maschine drehte in Richtung Osten.
    «Morgen will Norman uns alle zum Essen einladen. Kommen Sie mit?»
    «Kann schon sein. Wohin denn?»
    «In so ein Lokal in Santa Monica. Er sagt, das Essen ist klasse.»
    «Das hört sich gut an.»
    Die Sonne war beinahe untergegangen. Sie nahm noch einen Schluck aus der Flasche. Es war so lange her, dass sie mit jemandem geschlafen hatte. Sie war entschlossen gewesen, es mit Rusty Carter zu tun, aber das hatte nicht geklappt, und jetzt saß sie neben diesem seltsamen, netten Typen mit graublauen Augen, der Farbe des Meers. Sie sah zu ihm hinüber und wollte, dass er sie küsste, und er schien zu überlegen, aber dann wandte er sich ab. Zusammen betrachteten sie das endlose Panorama von Wasser und Himmel. Kamen sich so winzig vor wie Sandkörner.
Als säßen wir am Ende der Welt
, dachte sie, und er dachte:
Hier ist die Welt zu Ende
. Die Sonne schrumpfte von einem schmalen Streifen zu einem winzigen Farbtupfer. Dann verschwand auch der.
     
    Rote Ratten liefen den Vorhang rauf und runter. «Geht weg!», flüsterte er. Er hatte in Korea gekämpft und glaubte, er wäre Gefangener der Rotchinesen. Sie versuchten, ihn fertigzumachen. Gehirnwäsche. Er wusste nicht, wie lange er das noch aushalten würde. Vor den roten Ratten hatte er wirklich Angst. Und dann fiel eine Ratte von der Decke und landete auf dem Fußende seines Betts. Mit zitternder Stimme rief er immer wieder:
«Geh we-eg! Geh we-eg!»
    Plötzlich wurde der Vorhang zur Seite gezogen, und ter Horst stand vor ihm.
    Er hustete kläglich. Zeigte mit zitterndem Finger auf die Ratte auf seinem Bett. «Töten Sie sie. Bitte.»
    Ter Horst schaute hin, aber da war nichts.
    Der alte Mann sah, wie ter Horst im Halbdunkeln näher kam, ein Kopfkissen in den Händen. Er hob die welken Arme in dem Versuch, ihn abzuwehren, aber das Kissen wurde auf sein Gesicht gedrückt. Er griff nach ter Horsts Unterarmen und versuchte, sie wegzuschieben, aber er hatte so wenig Kraft, dass ter Horst kaum etwas davon spürte. Dann fiel er in ein schwarzes Loch, so tief, so tief, und er fiel und fiel und wusste, dass die Ratten dort unten auf ihn warteten.
    Es dauerte kaum eine Minute, bis der Widerstand erlahmte, aber ter Horst drückte das Kissen trotzdem weiter runter. Er wusste, dass der alte Mann nur das Bewusstsein verloren hatte; man

Weitere Kostenlose Bücher