Hyänen
Über ihm strahlte eine solche Menge an Sternen, wie er es seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Die Berge schirmten sie vom Licht und von der Luftverschmutzung der großen Städte im Westen ab. Er konnte das schwache, wolkenähnliche Leuchten der Milchstraße erkennen. Dass ein winzig kleines Ding wie er hier mit den Füßen im Staub das Ewige und Unendliche betrachten durfte, versetzte ihn in maßloses Staunen.
Der Hund sah zu Gray hoch und winselte. Bereit zum Aufbruch, dem Stinktier nachzujagen oder wenigstens
irgendetwas
zu tun. Aber Gray schaute weiter in den Himmel. Ihm wurde schwindlig, als könnte die Erde ihre Schwerkraft verlieren und als würde er in das grenzenlose Funkeln der Sterne stürzen.
Die Wissenschaft sagte, es gebe Milliarden und Abermilliarden Sterne dort oben und wahrscheinlich Millionen und Abermillionen Welten, in denen Leben existierte.
Er fragte sich, ob wohl alle Welten so schön waren wie diese. Und so grausam.
Donnerstag
S timmt etwas nicht, Mr. Pat?»
Er stand am Küchentresen und schenkte sich einen Becher Kaffee ein.
«Gar nichts stimmt, verdammt noch mal.»
Sie ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Brust. Sah ihn mit diesen übernatürlich großen dunklen Augen an. Sie wusste, dass sie ganz einfach hinreißend aussah.
«Erzählen Sie es mir. Sagen Sie es Eliana.»
«Ach, mach dir keine Sorgen. Ich kriege das schon hin.»
Er ging mit seinem Kaffee hinüber zum Eichentisch. Von dort sah man hinaus auf die Terrasse und den Garten. Er pustete in seinen Kaffee und nippte daran, dabei dachte er über den Anruf nach, den er gerade erhalten hatte. Mr. Li hatte ihn über das gestrige Debakel informiert.
Er konnte einfach nicht glauben, dass Gina schon wieder entwischt war und jetzt wahrscheinlich irgendeinen Highway entlangfuhr und sich kaputtlachte, die Fotze. Und Luke war bei ihr; außerdem noch dieser geheimnisvolle Beschützer, der Mr. Lis beste Leute, die Russen, vorgeführt hatte wie ein paar Schuljungen.
Es war ein kalter, stürmischer Tag auf Todt Hill. Immer wieder hatte es Regenschauer gegeben. Im Garten lagen modrige Blätter zu Füßen der Bronzestatuen. Durch den Einfluss der Elemente wurden die Statuen von Patina überzogen, wurden dunkel und stumpf. Engel und Heilige und die Jungfrau Maria, die um ihren toten Sohn weinte. Dabei war das Ganze im Grunde eine Farce. Er war nicht wirklich tot, denn schließlich war Er Gottes Sohn und würde drei Tage später wiederauftauchen. Worin bestand dann zum Teufel überhaupt der große Verlust? Wenn Pat the Cat starb, wäre er nach drei Tagen nicht wieder da, er wäre ein Stück Abfall, das in der Erde verfaulte. Wer würde um ihn schon weinen? Seine armselige Frau mit ihrem halben Hirn? Die kleine Latinotusse, die so tat, als würde sie ihn lieben, aber nur darauf aus war, ihm eines Tages noch den letzten Nickel abzuluchsen? Sein Wichser von einem Sohn in Lewisburg? Bobby Quasimodo?
Luke. Luke würde um ihn weinen. Er war sensibel, vielleicht ein wenig zu sensibel für einen Jungen. Einmal hatte er geweint, weil ein toter Vogel in der Vogeltränke gelegen hatte. Er liebte seinen Opa und würde bestimmt eines Tages um ihn weinen.
«Ich mache Ihnen Frühstück», sagte Eliana. «
Arepas.
Die mögen Sie doch. Mit
Perico
.»
«Ich habe keinen Hunger. Mein Magen tut weh. Ich habe bestimmt Magenkrebs, wie mein Vater.»
«Oh nein, Sie kein Krebs, Mr. Pat. Wie dumm. Sie
dummer
Junge.» Sie streckte den Arm aus und wuschelte ihm durch die wenigen Haare, die er noch hatte. Pat musste lächeln.
«Eliana?»
«¿Sí?»
«Liebst du mich?»
«Aber ja, Mr. Pat, viel Liebe.»
Sie wollte sich gerade vorbeugen und ihn küssen, als sie Latreece kommen hörten. Eliana fiel sofort in die Rolle eines eifrigen Dienstmädchens zurück.
Latreece sang leise ein Lied von Bob Marley, «Three Little Birds». Sie war fröhlich, denn ihre Biopsie war negativ ausgefallen. Der Tod hatte wie ein böser Gnom auf ihrer Schulter gesessen, ihr in den Nacken gekniffen und an ihren Haaren gezerrt, und dann, puff!, war er weg. Sie schenkte Cicala und dem Mädchen ein abwesendes Lächeln; ein Teil von ihr wusste, dass da etwas lief, der andere Teil wollte nichts davon wissen. Sie hantierte in der Küche und machte Frühstück für sich und Millie Cicala.
In der Hängelampe über dem Tisch, an dem Cicala saß, war ein elektrisches Gerät versteckt. Obwohl er auf paranoide Weise vorsichtig war, wurde er seit mehr als einem Jahr erfolgreich
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