Hyänen
ausgesucht hatte. Jetzt fand sie das übertrieben. Für ein Frühstück bei McDonald’s. Unterwegs, auf der Flucht. Sie schüttete milchfreien Kaffeeweißer in ihre Tasse. Luke beobachtete ein Mädchen auf dem Parkplatz. Sie beugte sich vor, um in ihrem Wagen nach irgendwas zu suchen, und ihr Hemd rutschte nach oben; über dem Bund der tiefsitzenden Jeans sah man einen lila Stringtanga und ein blaues Tattoo. Gina fragte sich, ob er anfing, sich für Mädchen zu interessieren. Hoffentlich nicht für solche Mädchen.
Ihr Handy klingelte. Sie nahm es aus der Handtasche und schaute aufs Display. Es war ter Horst. Sie legte das Handy wieder weg. Eine Weile klingelte es anklagend in ihrer Handtasche.
«Wer ist das?»
«Niemand. Falsch verbunden.»
«Wie kannst du das wissen, ohne ranzugehen?»
Sie schaute ihn böse an. «Iss deinen Burger.»
Sie ging zur Toilette und saß eine Weile pinkelnd und heulend auf dem WC , die alberne Dolce-&-Gabbana-Hose um die Knie. Die Welt kam ihr wie eine große gefährliche Wüste vor, und sie und ihr Sohn waren verurteilt, darin herumzuirren. Ihr fiel ein Film ein, in dem eine Frau von einem Geisteskranken gekidnappt wurde und die Polizei sie schließlich fand und befreite, weil ihr Handy irgendwelche Signale gesendet hatte. Sie wusch sich das Gesicht. Ob sie ihr Telefon hier liegen lassen sollte? Irgendjemand – vielleicht das Mädchen mit dem lila Stringtanga – würde es finden und mitnehmen, und dann würden sie ihr folgen anstatt Gina, nach Mexiko oder Kanada, und Gina und Luke könnten sich unbemerkt aus dem Staub machen. Aber dann stellte sie sich vor, was sie wohl mit dem Mädchen im lila Stringtanga anstellen würden, wenn sie es kriegten. Sie nahm die Batterie aus dem Telefon und warf beides in den Müll.
Eine halbe Stunde später verließen sie Texas und erreichten New Mexico. Ihr Honda Accord war grün, aber auf der Karte auf ter Horsts Monitor wurde er durch ein blaues Auto in einem roten Kreis dargestellt. «Land of Enchantment!», sagte ter Horst. Der Bildschirm zeigte die Geschwindigkeit und die Koordinaten des Accords und aktualisierte seine Daten alle fünf Sekunden. Als er den kleinen blauen Wagen so auf der Interstate entlangruckeln sah, kam er sich unendlich mächtig vor, und er musste laut lachen. Es erinnerte ihn an die Szene in
Shining
, in der Jack Nicholson auf das Modell des Irrgartens hinabschaut und darin die winzigen Gestalten seiner Frau und seines Sohns herumlaufen sieht. Gina und Luke waren wie kleine Ameisen, und er selbst kam sich vor wie ein Berg. Sie verhielten sich hektisch und planlos, er aber handelte ruhig und zielgerichtet. Er konnte ganz einfach den Highway entlangfahren, Zigarillos rauchen und die
Greatest Hits
der Eagles hören, und über kurz oder lang würde er sie einholen. Länger als vierundzwanzig Stunden würde das kaum dauern. Sie würden bestimmt irgendwo anhalten, um zu schlafen, und das hatte er garantiert nicht vor.
Sein Handy klingelte. Es war McGrath. Aus Oklahoma City. Sein bester Freund und Chef.
«Schon mitgekriegt, was in Brady los ist?», fragte McGrath.
«Aber sicher.»
«Meinst du, sie haben sie geschnappt? Und das Kind?»
«Fehlanzeige. Sie wollten sie bestimmt nicht entführen, sondern töten. Ich glaube, sie hat sich aus dem Staub gemacht.»
«Und sie hat dich nicht angerufen?»
«Nein.»
«Warum denn nicht?»
«Wahrscheinlich hat sie einfach Angst. Weiß nicht, wem sie noch trauen kann. Kann man ihr ja nicht verübeln.»
«Mein Gott, Frank! So was ist noch nie passiert. Wir haben noch nie jemanden verloren.»
«Wir haben sie nicht verloren. Ich finde sie.»
«Ich habe keinen Schimmer, was da passiert ist. Ein toter Gebrauchtwagenhändler liegt im Wohnzimmer, in der Küche gibt es Kampfspuren, und außerhalb der Stadt soll es noch drei Leichen geben.»
«Wer sind die drei?»
«Ein Farmer und sein Sohn, und noch jemand, dessen Identität bisher nicht festgestellt werden konnte. Seine Leiche wurde verbrannt. Sein Auto auch. Völlig durchgeknallt.»
«Wie kommst du darauf, dass sie was damit zu tun haben?»
«Ich bin nicht sicher, aber schließlich ist Brady nicht Detroit. Da werden sonst nicht wahllos Leute umgebracht.»
«Schon mit einem da unten geredet? Dem Polizeichef? Dem Sheriff?»
«Noch nicht, ich wollte erst mit dir sprechen.»
«Denk dran, außer uns weiß keiner von ihr.»
«Sicher. Aber genau deshalb müssen die da unten wissen, mit wem und mit was sie es zu tun
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