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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Mühe gemacht, alles abzuschließen? Ist sicher nicht so, dass man hier mitten im Urwald mit Einbrechern zu rechnen hätte. Es ist niemand hiergeblieben, um das Abendessen vorzubereiten, und der Generator ist ebenfalls aus. Und wenn es ein Auto hier gegeben hat, ist es nun weg.«
    »Ja«, stimmte Juli zu, stemmte die Hände in die Hüften und ließ ihren Blick über das Camp wandern. »Es sieht ganz danach aus, als ob wir zu spät kommen. Antworten werden wir hier jedenfalls keine bekommen.«
    »Und nichts zu essen.«
    Sie lächelte. »Nun, dagegen können wir aber vielleicht was tun. Los, sehen wir uns das Dorf an.«
    »Dorf?«
    »Na, hast du gedacht, die Ärzte ohne Grenzen würden ihr Camp ins Nirgendwo bauen? Hinter der Anhöhe dort ist nicht nur der Fluss, hier gibt’s natürlich auch ein Indiodorf.«
    Sie folgten einem Pfad, der vom Camp aus eine Biegung beschrieb, und tatsächlich führte er kaum hundert Meter weiter auf eine Ansammlung hölzerner Hütten zu.
    Tom blieb stehen. »Können wir da einfach hin? Was, wenn sie aggressiv reagieren?«
    »Ach was. Warum sollten sie? Sie kennen doch die Ärzte. Außerdem wissen sie längst, dass wir hier sind.«
    Sie näherten sich dem Dorf. Die auf niedrigen Stelzen gebauten Behausungen schienen fast ebenso verlassen wie das Camp. Keine Kinder, die herumtollten, keine Frauen oder Männer, die mit etwas beschäftigt waren. Nur ein paar Hühner scharrten zwischen den Hütten.
    »Was ist hier los?«, raunte Tom. »Sind hier alle Menschen ausgestorben?«
    »Das ist wirklich merkwürdig …«
    »Da sieh mal! Dort ist noch jemand.«
    An der Wand einer Hütte stand ein Aluminiumstuhl mit einer Sitzfläche aus bunten Plastikschnüren. Auf dem Stuhl saß eine alte Frau. Sie war nicht sonderlich groß, aber außerordentlich dick. Sie sah ihnen stumm und ohne sonderliche Regung entgegen.
    »Die habe ich schon einmal gesehen«, sagte Juli halblaut. »Ist so eine Art Dorfunikum.«
    »Vielleicht haben die anderen sie zurückgelassen?«
    Juli ging zu der Alten hinüber, die sie unverwandt ansah. Als Juli direkt vor ihr stand, hellte sich das Gesicht der Frau auf. Sie lächelte sie an und begann zu sprechen, wobei sie ihre letzten verbliebenen Zähne entblößte.
    »Was sagt sie?«, fragte Tom, als er herangetreten war.
    Juli hielt ihren Kopf ein wenig schräg. »Ich weiß nicht. Es ist schwer zu verstehen …«
    »Frag sie, wo die Leute aus dem Camp sind.«
    Juli wies in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Os médicos. Onde estão?«
    Die Alte unterbrach kaum ihren Redefluss, machte aber dabei eine wegwerfende Handbewegung.
    »Sie sind weggegangen, sagt sie«, übersetzte Juli. »Erst kamen die Götter des Waldes, dann bin ich weggegangen, und dann sind die Ärzte gegangen. Aber nun bin ich zurückgekommen. Und vielleicht kommen die Ärzte nun auch wieder zurück.«
    »Was soll das heißen, du bist weggegangen und wieder zurückgekommen?«
    »Vielleicht verwechselt sie mich mit meiner Schwester.« Juli stellte der Frau erneut einige Fragen, woraufhin die Alte ihre Hand hob und auf Julis Arm legte. Sie schloss die Augen und nickte, dann erwiderte sie etwas.
    »Sie sagt, meine Schwester und ich sind eins. Sie sagt, ich habe die Götter des Waldes gefunden und nun würde ich gehen und sie besänftigen.«
    »Ich glaube, die Alte faselt einfach nur. Wundert mich auch nicht, dass man sie hiergelassen hat.«
    Wieder fragte Juli etwas. Dann übersetzte sie. »Die Alten sind noch hier. Aber sie haben Angst. Die Jüngeren sind von den Göttern des Waldes geholt worden.«
    Tom sah sich um. Tatsächlich waren nun an einigen Türen und Fensteröffnungen der anderen Hütten Menschen zu sehen, die verstohlen zu ihnen herüberspähten.
    »Hier geht irgendetwas vor sich«, raunte Tom.
    »Ja, das Gefühl habe ich auch.«
    »Wir müssen ihr Vertrauen gewinnen. Sie sollen verstehen, dass wir ihnen vielleicht helfen können.«
    Juli sah ihn fragend an. »Und wie wollen wir das anstellen?«
    Tom grinste. »Frag sie, ob wir etwas zu essen haben können.«
    »Also gut«, sagte Tom, während er sich die Finger an der Hose abstreifte. »Ein kulinarischer Genuss war es nicht. Aber ich will nicht undankbar sein.«
    Auf Julis Frage hin hatte die Alte nur auf eine andere Hütte gedeutet und ihnen zu verstehen gegeben, sie sollten dort nachfragen. Eine Frau war in der Tür erschienen. Sie hatte an den Fremden vorbei einen Blick mit der Alten auf dem Stuhl gewechselt, dann aus einem Topf zwei Kellen eines

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