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Hybrid

Titel: Hybrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Wilhelm
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Hütte auf dem Stuhl gesessen hatte. Sie winkte ihnen zu.
    Juli ließ das Fenster herunter. Die hereinströmende Luft war feucht und süß und ebenso warm wie das Wageninnere. Die Alte begann heftig zu gestikulieren und redete in einem eindringlichen Wortschwall.
    »Was will sie?«, fragte Tom.
    »Langsam …«, sagte Juli zu der Frau. »Ich verstehe nicht …« Sie hob beschwichtigend eine Hand und sagte ein paar Worte auf Portugiesisch. Die Frau redete weiter und schwenkte eine Halskette mit einem Amulett. Damit deutete sie erst auf Tom, dann auf Juli und reichte die Kette durch das Fenster. Zögernd nahm Juli das Geschenk entgegen. Damit schien die Frau erreicht zu haben, was sie wollte. Sie sprach noch einige Sätze, dann wandte sie sich ab und ging schwerfällig zurück zu ihrem Dorf.
    Juli schloss das Fenster und reichte die Kette unschlüssig an Tom.
    »Sie sagte, du sollst das tragen. Es wird dich beschützen.«
    »Aha?« Tom besah die Konstruktion aus hölzernen Perlen und einem Anhänger aus geschnitztem Horn, der eine kleine Maske mit grimmigem Blick darstellte. »So ein Quatsch.«
    »Sieht aber doch ganz hübsch aus, findest du nicht?«
    »Soll ich das etwa jetzt wirklich anlegen?«
    »Warum nicht?« Sie nahm ihm die Kette aus den Händen und hängte sie ihm um den Hals. »Es macht dich so … verwegen.«
    Tom lachte auf. »So. Und nur deswegen war sie hier?«
    »Sie wollte uns vor irgendetwas warnen. Alles konnte ich nicht verstehen. Es ging um den Wald und wieder um die Geister des Waldes und ihre Heimat, flussaufwärts. Wir sollen die Geister fürchten und diejenigen strafen, die sie zu dem gemacht haben, was sie sind. Oder so ähnlich.«
    »Ich dachte, wir wollten nur deine Schwester suchen.«
    »Ganz offenbar liegt hier noch deutlich mehr im Argen …«
    »Na, wie gut, dass ich jetzt ein Zaubermedaillon habe.« Er lehnte sich wieder zurück.
    »Sieh es als Geste des Vertrauens. Besser zu wissen, dass die Dorfbewohner uns unterstützen, als wenn wir fürchten müssten, dass sie uns in den Rücken fallen, weil wir unbeabsichtigt heiligen Boden betreten oder so.«
    »Dann hoffen wir mal, dass du recht hast.«

Kapitel 11
Tagebuch von Marie Thomas – Brasilien, 17. Mai
    E twas verfolgt mich.
    Erst dachte ich, es läge an meinen überspannten Nerven. Die Nacht war kurz, nach den merkwürdigen Schreien und Geräuschen konnte ich nicht mehr richtig schlafen, und es war viel zu warm. Nun bin ich seit einigen Stunden wieder unterwegs, inzwischen konnte ich auch wieder das Flussufer erreichen.
    Mehrmals habe ich in einiger Entfernung hinter mir etwas zwischen den Bäumen huschen sehen. Einmal bin ich stehen geblieben, um zu sehen, ob es sich nähern würde. Ich weiß nicht einmal, was es ist. Es scheint größer zu sein als ein Affe. Es bewegt sich über den Boden. Und es ist schnell. Wenn ich mich blitzartig umdrehe, erkenne ich manchmal noch einen Schatten. Dann scheint es fort zu sein, aber nach einer halben Stunde wiederholt sich das Spiel. Wenn es ein Raubtier ist, verfolgt es mich sehr hartnäckig. Vielleicht wartet die Kreatur auf einen günstigen Augenblick, mich anzugreifen. Aber es weicht immerhin meinem Blick aus. Solange ich mich ständig umsehe, scheine ich sicher zu sein. Auch wenn das nur ein schwacher Trost ist.
    Ich mache nun eine Pause, sitze hier am Fluss, schreibe in mein Tagebuch und überlege, wie lange ich noch weitergehen soll. Wasser gibt es genug, und mit meinen Vorräten könnte ich noch zwei Tage auskommen und hätte noch genug für den Rückweg.
    Ich frage mich, was ich zu finden hoffe. Einen Hinweis? Was für einen Hinweis sollte ich mitten im Urwald finden können? Der Fluss mag mir eine Richtung vorgeben, aber ich könnte nur wenige hundert Meter an einer tiefer im Wald gelegenen Siedlung vorbeilaufen und würde sie nicht sehen. Meine ganze Expedition ist nicht mehr als der Versuch, wenigstens etwas zu tun, statt die Ereignisse und die offenen Fragen einfach zu akzeptieren.
    Ich mache mir Sorgen über die kommende Nacht. Wird das Wesen, das mich verfolgt, mich aufspüren? Versuchen, mich anzufallen? Sicherheitshalber werde ich mir rechtzeitig vor Beginn der viel zu kurzen Dämmerung einen Schlafbaum suchen. Hoffen, dass das Tier nicht zu mir hinaufklettert.
    Vielleicht sollte ich jetzt lieber umkehren. Der Rückweg wird noch einmal genauso weit. Wenn ich jetzt abbreche, liegt nur eine Nacht vor mir, die mich schon wieder näher an das Camp bringt. Wenn ich erst morgen umkehre,

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