Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

gestochenes Profil betrachteten, vor Augen führen konnten, wie eitel all unsere Leidenschaften und Triebe sind und was dabei herauskommt, wenn man am Arbeitsplatz unkontrolliert fickt. Idiotische Geschichte, – sagte sie und schlief ein. Warum ich das alles erzähle, – fuhr Kaganowitsch fort, – manchmal glaube ich, daß wir die Fehler von Bill und Monika wiederholen – überall hinterlassen wir Spuren unserer Liebe, schmieren sie über die grobe Hotelbettwäsche und die grauen, kratzenden Decken, unsere Kleider und unsere Körper sind besudelt mit dieser unserer Liebe, von der es offensichtlich so viel gibt, daß sie ihre Spuren überall hinterläßt, wo wir auftauchen. Entlang unseres Weges, aus unseren Wohnadressen und zufälligen Haltepunkten, kann man einen Reiseführer zusammenstellen, wie lange schon kämpfen wir miteinander, wir attackieren uns mit scharfen Gegenständen und legen unsere frischen Wunden aneinander, so daß das Blut sich vermischt und von Arterie zu Arterie fließt, und wenn das Blut zusammenklumpt wie der Straßenhandel nach Feierabend, dann vergessen wir alles, vergessen unser Blut und die Spuren unserer Liebe und daß es für alles eine Erklärung gibt, aber die Erklärung interessiert offensichtlich niemanden, dich nicht, mich nicht,daher wirst du morgen wieder versuchen, von mir wegzukommen und mir Gabeln und Küchenmesser ins Herz stoßen, du wirst von hier fliehen, als hielte ich dich gefangen, und ich werde zwischen deinen Sachen sitzen und sie lange hin und her räumen und versuchen, auf jeder die Spuren deiner Liebe zu finden.
    Mir scheint, die Zukunft gehört der Gewerkschaftsbewegung. Im Idealfall ersetzen die Gewerkschaften dann Kirche, Familie und Bildungssystem. Die Leute haben immer mehr Angst, die Grenzen der Industrieproduktion zu überschreiten, die von Mal zu Mal größere Bereiche ihres Lebens erobert. Die Gewerkschaften als Form kollektiven Selbstschutzes verlassen langsam das Fabrikgelände und werden zu Vorreitern der zukünftigen Gesellschaft – einer Gesellschaft, die auf den Prinzipien des Kollektivismus und der Firmenverantwortung beruht. So eine Gesellschaft hat gegenüber allen vorherigen uns bekannten Formen des sozialen Zusammenlebens einen unbestreitbaren Vorteil – sie ist autonom und benötigt keine Kommunikation von außen, sie fordert nicht, daß du dich jeden Tag öffnest, deinen Schutzschild senkst und dich dem Kreuzfeuer aussetzt, ohne Möglichkeit zum Rückzug. Die Gesellschaft der Zukunft beruht auf den Prinzipien der Firma, die dir erlaubt, deine persönlichen Wünsche mit den Regeln und Gewohnheiten deiner Nächsten in Übereinstimmung zu bringen, die immer bereit sind, dir in deiner Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit Halt zu geben. Denn anders geht es nicht, jede Geschichte endet mit einer kriegerischen Heldentat der ins Leben verliebten Hauptpersonen, die als fröhlich lärmender Haufen in dieses Leben gestolpert kommen und einzeln hinausgetragenwerden, hinter die Kulissen gezerrt ihre noch warmen Körper, aus denen die erlösten Seelen emporfliegen. Es geht nicht anders. Niemand hatte auch nur die leiseste Ahnung, daß sie Liebende waren, als sie starb, sie war nicht mal fünfundzwanzig, ganz zu schweigen von dem ganzen Rest.

Vierzig Waggons usbekische Drogen
    »Die Brüder Coen – Ethan und Joel – haben mir beigebracht, keine Angst vor Blut zu haben«, – schreibt mein Freund Bondar. In Charkiw waren vor fünfzehn Jahren die Oschwanz-Brüder gut im Geschäft – Grischa und Sawa, sie kontrollierten die Wohnheime, wie sagt man – mit stillschweigender Billigung der Verwaltung. Aber die Verwaltung hätte bloß mal versuchen sollen, Sawa oder gar Grischa Vorschriften zu machen, ich glaube, die beiden hätten sie komplett niedergewalzt. Leibliche Brüder waren die Oschwanz-Brüder nicht, aber daß in ihren Adern verwandtes Blut floß, da bin ich mir sicher. Sie waren wirklich gut im Geschäft und wurden von ihren Feinden geachtet – es kam vor, daß sie sich zu zweit einer Übermacht stellten und entsprechend niedergemetzelt und mit der schwarzen Charkiwer Erde verrührt wurden, aber beeindruckt von ihrem Mut und ihrer rotzigen Frechheit, trugen ihre Feinde sie auf den Schultern heim und riefen einen Krankenwagen, die Brüder kurierten sich aus, begossen ihre Wunden mit Alk (ich spreche von den seelischen Wunden) und zogen von neuem in den Kampf. Das rief nicht nur Achtung, sondern auch Angst hervor – an so einen zu geraten ist, wie