Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)
die Wolken, die vom Meer kamen, die Lastwagen, die sie überholten, die Häuser und Passanten und dachte, daß sie vielleicht anderthalb Stunden so rasen würden, in nördlicher Richtung, und dann irgendwo anhalten, denn jede Reise braucht Unterbrechungen,und jeder Fahrer, egal wie zäh, muß irgendwann anhalten. Und je länger du unterwegs bist, um so länger werden die Unterbrechungen, bis du dann für immer anhältst und nicht mehr imstande bist weiterzufahren, nur eine kurze Strecke von dem Ort entfernt, an den zu wolltest, wo du so lange nicht gewesen bist und wo niemand, wirklich niemand auf dich wartet.
Besonderheiten des Schmuggels von inneren Organen
Die Besonderheit der Beförderung von inneren Organen (oder ihrer Teile) über die Staatsgrenze der Ukraine besteht in erster Linie darin, daß einzelne Paragraphen und ganze Kapitel der von der Ukraine im Mai 1993 auf dem Gesamteuropäischen Wirtschaftsgipfel in Brüssel unterzeichneten Erklärung zu Zollfragen in sich widersprüchlich sind. Gemäß Paragraph fünf Kapitel eins der genannten Erklärung müßte die Ukraine die Ausfuhr innerer Organe in befreundete Länder stärker kontrollieren. Aufgrund einer der Gesetzesänderungen, die in einer außerordentlicher Parlamentssitzung verabschiedet und vom Präsidenten des Landes unterzeichnet wurden, bleibt jedoch unklar, welche Länder als mit uns befreundet zu gelten haben. Hier sehen wir also den ersten Widerspruch. Wem von unseren Nachbarn können wir vertrauensvoll die Hand zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit reichen? Den Rumänen? An einem warmem Augustmorgen tritt eine Gruppe rumänischer Grenzsoldaten aus der Kaserne, am Tor wächst grauer Beifuß, und der traurige, verschlafene Wachposten wischt den Staub von seiner Lewis Gun, der Hauptmann geht vorneweg, hinter ihm zwei Rekruten, sie holen ihre Marschverpflegung heraus, kauen Mamaliga oder irgendwelche anderen rumänischen Nationalgerichte, der eine Rekrut holt aus seinem grünen Tornister eine Literflasche Wein und setzt sie an den Mund, reicht sie dann dem Hauptmann weiter,der Hauptmann trinkt ebenfalls, runzelt die Stirn und läßt seinen Blick über die Wiesen schweifen, die unter blauem Morgennebel liegen, schaut irgendwohin, nach Osten, von wo jeden Morgen Reiher geflogen kommen, um im Schilf wehrlose rumänische Fische zu fangen. Die Grenzsoldaten gehen schweigend, sie trinken auch schweigend, nur ab und zu schrecken sie einen zufälligen Vogel vom Brutplatz auf, der dann kreischend in den Nebel fliegt, die Rekruten zukken zusammen, der Hauptmann schnalzt nur verächtlich mit der Zunge: was für Arschlöcher, was für ein Nebel, was für ein Leben; dort, wo der Fluß sich verengt, klettern sie hinunter ans Ufer und kämpfen sich jetzt durch das Schilf, auf von Kühen getrampelten Pfaden, der Hauptmann vorneweg, hinter ihm der Rekrut mit der Mamaliga, als letzter geht der Rekrut mit dem Wein, den er übrigens schon fast ausgetrunken hat. Halt, sagt plötzlich leise der Hauptmann, und die Rekruten nehmen wachsam die Gewehre von der Schulter, da ist es – er zeigt auf das große schwarze Rohr, das im dichten Nebel liegt und fast ganz darin verschwindet. Der Hauptmann nähert sich dem Rohr, geht in die Hocke und zieht aus seiner Kartentasche ein Paket Stabsunterlagen. Die Rekruten beziehen zu beiden Seiten Position, Gewehr bei Fuß, der eine ißt seine Mamaliga auf, der andere muß mal, aber er ist auf Posten, da läßt ihn natürlich keiner. Der Hauptmann öffnet das Paket, studiert lange ein Blatt Papier mit der Skizze der Ölpipeline, schließlich tritt er an das Rohr, findet den richtigen Hahn und dreht ihn beherzt zu. Das war’s, sagt der Hauptmann, während er irgendwohin gen Osten blickt, Scheiß auf eure Reversion, sagt er, und alle kehren in die Kaserne zurück.
Was weiter? Der junge Ungar, der heute vielleicht zum ersten Mal Wache schiebt, wird jedesmal verlegen, wenn die Trukker ihn ansprechen; er versteht, daß sie die Grenze mehrmals pro Woche passieren, und er ist noch ein richtiger Rotzlöffel, weiß eigentlich noch gar nichts von der Grenze, weiß eigentlich auch noch gar nichts von Leben und Tod, Liebe und Verrat, von Sex weiß er übrigens auch eigentlich nichts, nicht mal richtig wichsen kann er, deswegen wird er besonders verlegen, wenn Frauen ihn ansprechen, dann errötet er tief und wechselt vom Russischen ins Englische, das aber keine der Frauen spricht, und davon wird er noch verlegener. Der alte Korporal, heute Chef der
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