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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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sie haben mich früher einmal vor den Negern gerettet, sie haben was gut bei mir, – sagte er und zeigte Iwan den Bahnhof. Er ging vor, mit Eisenbahnermütze, chinesischen Turnschlappen und dem Offiziersmantel auf dem nackten Körper, Iwan in seiner Pilotenkappe folgte, dieses Business fing langsam an, ihm zu gefallen, noch dazu gefielihm Eva, noch dazu hatte sie ihm das Rauchen beigebracht, wenn das nicht der Anfang eines normalen Lebens war, vor ihm ging der Stationsvorsteher und erklärte – das, – sagte er, – ist Zucker, das – Pumpen, hier haben wir Erdöl, hier radioaktive Abfälle, Scheiße auch, keiner weiß davon, und die stehen schon fast zwei Monate rum bei uns, das hier sind Waggons des Verteidigungsministeriums, die warten, bis es Winter wird, dann wollen sie sie nach Rußland bringen und in den Kaukasus verkaufen, hier haben wir Ammoniak, hier auch Ammoniak, keine Sau braucht das Zeug, – erklärte er Iwan, – man hat es hergebracht und dagelassen, und ich soll es bewachen, weiter – hier ist Rigips, den werden wir nach Charkiw schicken, hier Werkzeugmaschinen, hier wieder Zucker, und da, schau – meine Lieblinge, – er führte Iwan zu einem ellenlangen Güterzug, dessen letzte Waggons sich in der blauen Augustluft verloren, weißt du, was das ist? Drogen. – Wie Drogen? – fragte Iwan ungläubig. – Ja, reine Drogen, – antwortete der Stationsvorsteher und schloß den obersten Knopf seines Mantels, – vierzig Waggons Drogen. – Wie das? – Iwan war verwirrt. – Also folgendermaßen, – erklärte der Stationsvorsteher, – sie tauchen als Baumwolle in den Büchern auf, die Zwischenhändler sind erschossen worden, und das Zeug steht schon über ein Jahr hier, kannst du dir das vorstellen? – Da piepste sein Funkgerät, der Vorsteher wurde ans Telefon gerufen, er drückte Iwan die Hand, sagte, er solle im Fall eines Falles ruhig bei ihm vorbeikommen und rannte zum Gebäude, dabei flatterten die Schöße seines Mantels. Iwan trieb sich noch eine Weile bei den Waggons mit den Drogen herum und kehrte dann zu Eva zurück.
    So verging eine Woche. Die Fracht wurde einfach nicht angeliefert. Eva schrieb immer seltener an die Brüder. Iwan verließ den Waggon kaum noch, sie lagen den ganzen Tag auf den warmen Laken und liebten sich. Erst brachte Eva ihm bei, nicht gleich zu kommen, dann brachte sie ihm bei, zusammen mit ihr zu kommen, sie schlief als erste ein, und Iwan betrachtete lange ihren Körper, sie war so alt wie seine Mutter, nur sah sie besser aus und konnte ganz offensichtlich mehr, Iwan ließ ihre Kettchen aus Metall und Plastik durch die Finger gleiten, spürte, wie die Silberringe in ihren Ohren und an ihren Fingern bis zum Morgen kühl wurden, beobachtete, wie der Lack auf ihren Nägeln abblätterte, sah ihre Haare wachsen, sie wachte auf, und jetzt schlief er ein, sie zog ihre offizielle Kleidung an, schminkte sich und gab sich ein ziviles Aussehen, aber da wachte er auf, zog sie zu sich ins Bett, und so ging es ohne Ende.
    – Hast du Kinder? – fragte er sie. – Ich habe Bürgerpflichten, – antwortete Eva und verbot ihm, sie über ihr Leben zu befragen, sagte, sie wäre bei der Arbeit, drohte, wenn er sie weiter belästige, dann würde sie den Brüdern schreiben und sich beschweren, daß er, Iwan, statt ritueller Dienstleistungen oralen Sex mit ihr praktiziere. Iwan wurde verlegen, verstummte und ging hinaus, wo er sich zwischen den Güterzügen herumtrieb. Er schloß Bekanntschaft mit ein paar Gleisarbeitern, sie äußersten sich mit Respekt über ihren Stationsvorsteher, sagten, der Kerl versteckt bereits über ein Jahr lang irgendwo vierzig Waggons usbekische Drogen und keiner weiß wo, einige Gleisarbeiter vermuteten sogar, daß er es selbst nicht wisse, worauf Iwan bedeutungsvoll schwieg. Abends setzten sie sich vor die Waggons und rauchten Anascha. Iwan gefiel es, anden endlosen Augustabenden die Güterzüge entlangzulaufen, die Markierungen zu entziffern und zu horchen, was sich darin befand. Manchmal schaute er beim Stationsvorsteher vorbei, das Büro des Vorstehers war mit Weinkisten vollgestellt, er entkorkte eine Flasche, und sie saßen bis in den Morgen hinein am offenen Fester, vor dem sich der Güterbahnhof mit hunderttausend Waggons erstreckte.
    – Wirst du nicht schwanger? – fragte Iwan Eva. – Nicht von so einem Bastard, – sagte Eva, Iwan schmollte, sie aber faßte seine Hände und ließ ihn nicht gehen, sie blieben den ganzen Tag in ihrem Waggon

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