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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Wache, ist schon in der Nacht verschwunden, schaut wohl wieder Satellitenfernsehen – Pornos oder Baseball, in Amerika wird gerade Baseball gespielt; und er muß hier in der Bude stehen und mit diesen Frauen reden, die nach Leben und Schnaps riechen, muß mit ihnen in gebrochenem Englisch oder gebrochenem Russisch reden, sich ihr durch das Leben und den Schnaps gebrochenes Ukrainisch anhören, ihnen die Vorschriften für die Einfuhr von inneren Organen und alkoholischen Erzeugnissen erklären, ihnen den überschüssigen Alkohol wegnehmen, elektrische Geräte und Schokolade, Sprengstoff und Handgranaten, Hustler-Hefte für den Korporal, und für die ungarische Wirtschaft Spiritus, Äther, Kokain, Räucherstäbchen mit Haschisch-Aroma, Thai-Massage-Öle mit Heroin-Extrakt, Hämorrhoiden-Zäpfchen mit Hanfextrakt, Zigeunerinnen-Haar in Gläsern, Fisch- und Menschenblut in Thermoskannen, tiefgefrorenes Sperma in Kenzo-Parfümfläschchen, graue Gehirnmasse in Fleischsalatpackungen, heiße ukrainische Herzen, eingewickelt in frische russischsprachige Zeitungen, alles, was sie in ihren Rucksäcken undkarierten Taschen einschmuggeln wollen, in Aktenkoffern aus Kunstleder oder in Notebook-Hüllen; traurig betrachtet er die Notebook-Hüllen, vollgestopft mit Speck und Kondomen, verwirrt schaut er auf die weißen überdimensionalen Büstenhalter aus Tuch, aus dem sonst Segel und Matrosenkleider gefertigt werden; als es Morgen geworden ist, kommt eine Frau zu ihm, um die Vierzig, aber man würde sie nie auf Vierzig schätzen, diese ukrainischen Frauen sehen nie so alt aus, wie sie sind, also auch wenn man weiß, daß sie Vierzig ist, würde man sie nie auf Vierzig schätzen, auch sie riecht nach einem langen Leben und nach warmem hochwertigem Schnaps, und sie sagt: laß mich durch, ich hab’s eilig – mein Sohn liegt im Krankenhaus, und ihre Lippen sind so extrem mit dunkelrotem Lippenstift beschmiert, daß es bei dem Ungarn plötzlich klick macht; stop, sagt er zu sich selbst, stop, was für ein Sohn, was für ein Krankenhaus, irgendwas macht ihn mißtrauisch, vielleicht, daß sie starke Männerpapirossy raucht, vielleicht auch daß es in der Nähe gar kein Krankenhaus gibt, also sagt er ihr – Sekundotschka, und rennt zum Korporal, der Korporal kriegt gerade noch rechtzeitig seinen Reißverschluß zu, sauwütend, aber er läßt sein Baseball im Stich und kommt mit zum Stellplatz für die Pkw, sieht die Rostlaube, mit der sich die Frau mit den dunkelroten Spuren von Blut und Schminke auf den Lippen hierhergeschleppt hat, und blickt sofort durch: er ruft zwei Automechaniker, die montieren die Kotflügel ab und finden dort ein ganzes Depot – Zigarettenstangen, einen Haufen illegalen Tabak, Diamanten, Gold und Wertpapiere, beflügelt durch diesen ersten Erfolg steigen sie ein und montieren den Rücksitz ab, dort finden sie, logo, den Rest der Schmuggelware, dann zerlegen sie noch die Türen und die Instrumententafelund überhaupt die ganze Rostlaube, soweit das im Feld möglich ist, finden aber nichts mehr und verschwinden im Hochgefühl redlich getaner Arbeit, die Frau setzt sich schicksalsergeben auf den kalten Bordstein und betrachtet den jungen Ungarn, und in ihrem Blick ist eine so seltsame Mischung von Haß und Zärtlichkeit, daß der Kerl zu ihr kommt und nach einer Zigarette fragt, sie lacht nervös, zeigt auf den Haufen beschlagnahmten Tabak, gibt ihm dann aber eine ihrer starken Männerpapirossy; so sitzen sie, glücklich und erschöpft, sie, weil sie im dritten Monat schwanger ist, er wegen seiner ersten unwillkürlichen Ejakulation.
    Ach ja, und das noch. Drei Polen versuchen schon seit über einer Stunde, die ukrainische Prostituierte loszuwerden, die ihrerseits hartnäckig versucht, die Grenze zu passieren. Hör mal, sagen sie, was für eine Jagiellonen-Universität? Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, daß wir dich durchlassen sollen, von den anderen Schichten ganz zu schweigen, fahr nach Hause, wir wollen keine Unannehmlichkeiten, sie aber sagt – stop, ihr wollt keine Unannehmlichkeiten, ich will nicht nach Hause, laßt uns die Frage liebevoll regeln, wie es bei uns an der Jagiellonen-Universität üblich ist, ich werde so oder so nicht nach Hause fahren, andererseits kennt ihr mich, also kein Grund zur Sorge, habt ihr Kondome? Irgendwie willigen sie ein, irgendwie bringen sie es nicht über sich, Widerstand zu leisten, es ist Nacht, die ruhigste Zeit, es wird sie bestimmt niemand erwischen,

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