Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
Bewohnern, nur den Blick auf die blassen, grauen Schatten des bunten Lebens draußen gestattet, bieten uns Banchoffs Computer nur die Schatten der höherdimensionalen Objekte. Tatsächlich ist ein Zufall der Evolution daran schuld, daß wir uns kein Bild von höheren Dimensionen machen können. Unser Gehirn hat sich unter dem Einfluß unzähliger Notfälle entwickelt, die es in drei Dimensionen zu bewältigen galt. Ohne unsere Denkprozesse zu unterbrechen, können wir augenblicklich einen springenden Löwen oder einen angreifenden Elefanten erkennen und auf die Gefahrensituation reagieren. Menschen, die sich eine genauere bildliche Vorstellung davon machen konnten, wie sich Objekte in drei Dimensionen bewegen, drehen und verbiegen, hatten einen klaren Überlebensvorteil gegenüber denjenigen, die dazu nicht in der Lage waren. Leider gab es keinen entsprechenden Selektionsdruck, der dafür sorgte, daß die Menschen mit der Bewegung in vier räumlichen Dimensionen umgehen lernten. Wer in der Lage war, die vierte räumliche Dimension zu sehen, vermochte deshalb sicherlich nicht besser mit einem Säbelzahntiger fertig zu werden. Löwen und Tiger springen uns nicht in der vierten Dimension an.
In höheren Dimensionen sind die Naturgesetze einfacher
Peter Freund, Professor für theoretische Physik am angesehenen Enrico Fermi Institute der University of Chicago, liebt es, seine Zuhörer mit den Eigenschaften höherdimensionaler Universen zu foppen. Als die Hyperraumtheorien noch als zu exotisch galten, um in den Kanon physikalischer Lehrmeinungen aufgenommen zu werden, gehörte Freund schon zu den frühen Pionieren des Gebietes. Jahrelang beschäftigten sich Freund und eine kleine Gruppe von Physikern mit den Gesetzen der höheren Dimensionen praktisch zu ihrem Privatvergnügen. Mittlerweile ist ihr Gegenstand in Mode gekommen und zu einem legitimen Zweig der wissenschaftlichen Forschung avanciert. Erfreut kann Freund feststellen, daß sich sein langjähriges Interesse endlich auszahlt.
Dem landläufigen Bild des zerstreuten, ungepflegten Professors entspricht Freund nicht im mindesten. Der weltläufige, kultivierte Mann mit dem hintergründigen Lächeln fesselt auch Nichtwissenschaftier mit faszinierenden Geschichten von bahnbrechenden physikalischen Entdeckungen. So souverän, wie er eine Wandtafel mit komplizierten Gleichungen bedeckt, unterhält er die Gäste einer Cocktailparty mit amüsantem Smalltalk. Freund, der mit unüberhörbarem rumänischem Akzent spricht, hat ein seltenes Talent, auch die anspruchsvollsten und verzwicktesten physikalischen Konzepte lebhaft und anschaulich zu erklären.
Freund erinnert uns daran, daß Physiker höheren Dimensionen lange Zeit mit Skepsis begegnet sind, weil man sie nicht messen konnte und keine Verwendung für sie hatte. Heute wächst jedoch die Erkenntnis, daß jede dreidimensionale Theorie »zu klein« ist, um die Kräfte zu beschreiben, die unser Universum bestimmen.
Wie Freund ausführt, ist eines der Grundthemen der letzten zehn Jahre physikalischer Forschung die Erkenntnis, daß die Naturgesetze einfacher und eleganter werden, wenn man sie in höheren Dimensionen ausdrückt, die die natürliche Heimat dieser Gesetze sind. Licht und Gravitation lassen sich in ihrer Gesetzmäßigkeit mühelos darstellen, wenn man sie in einer höherdimensionalen Raumzeit beschreibt. Der entscheidende Schritt zur Vereinheitlichung der Naturgesetze besteht darin, die Dimensionenzahl der Raumzeit zu erhöhen, woraufhin sich immer mehr Kräfte einfügen lassen. In höheren Dimensionen haben wir genug »Platz«, um alle bekannten physikalischen Kräfte zu vereinigen.
Um zu erklären, warum höhere Dimensionen die Phantasie der wissenschaftlichen Welt so beflügeln, benutzt Freund folgenden Vergleich: »Stellen Sie sich einen Geparden vor – dieses geschmeidige, wunderschöne Tier, eines der schnellsten der Erde, das frei durch die Savannen Afrikas streift. In seinem natürlichen Habitat ist es ein herrliches Geschöpf, geradezu ein Kunstwerk, das an Geschwindigkeit oder Anmut von keinem anderen Tier übertroffen wird. Doch jetzt«, fährt er fort,
stellen Sie sich einen Geparden vor, den man gefangengenommen und in einen schäbigen Zookäfig gesperrt hat. Das Tier hat seine ursprüngliche Anmut und Schönheit verloren und ist der Schaulust der Besucher preisgegeben. Wir erblicken nur noch einen Schatten des einstigen Geparden, seiner ursprünglichen Kraft und Eleganz.
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