Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
in den Jahren nach 1919.« 8
In ähnlicher Weise lassen sich Mathematiker schon seit langer Zeit von alternativen Formen der Logik und bizarren geometrischen Gebilden faszinieren, die sich nicht mit den Gewohnheiten des gesunden Menschenverstands vertragen. So hat der Oxforder Mathematiker Charles L. Dodgson – unter dem Pseudonym Lewis Carroll – Generationen von Schulkindern mit Büchern entzückt, in denen er diese merkwürdigen mathematischen Vorstellungen verarbeitete. Wenn Alice in ein Kaninchenloch fällt oder durch den Spiegel tritt, gelangt sie ins Wunderland, einen merkwürdigen Ort, wo Edamer Katzen verschwinden (und nur ihr Lächeln zurücklassen), Zauberpilze Kinder in Riesen verwandeln und Mad Hatters »Nichtgeburtstage« feiert. Irgendwie verbindet der Spiegel Alices Welt mit einem seltsamen Land, wo jeder in Rätseln spricht und der gesunde Menschenverstand gar nicht so gesund ist.
Höchstwahrscheinlich hat sich Lewis Carroll nicht zuletzt von dem großen deutschen Mathematiker Georg Bernhard Riemann anregen lassen, der im 19. Jahrhundert lebte und als erster die mathematischen Grundlägen für die Geometrie höherdimensionaler Räume entwickelt hat. Als Riemann nachwies, daß diese Universen, so seltsam sie dem Laien auch erscheinen mögen, in sich völlig schlüssig sind und ihrer eigenen inneren Logik gehorchen, hat er damit der Mathematik des nächsten Jahrhunderts eine neue Richtung vorgegeben. Einen Eindruck von diesen Ideen erhalten Sie, wenn sie sich einen Stapel aus vielen Papierbögen vorstellen. Jeder Bogen repräsentiert eine ganze Welt, und jede Welt gehorcht ihren eigenen physikalischen Gesetzen, die sich von denen aller anderen Welten unterscheiden. Danach wäre unser Universum nicht allein, sondern eine von vielen möglichen Parallelwelten. Einige dieser Ebenen könnten von intelligenten Wesen bewohnt werden, die keine Ahnung von der Existenz der anderen hätten. Auf einem Blatt Papier hätten wir Alices englische Landidylle, auf einem anderen Blatt eine merkwürdige Welt, die mit den bizarren Wunderland-Geschöpfen bevölkert ist.
Normalerweise verläuft das Leben auf jeder dieser parallelen Ebenen unabhängig von den anderen. Doch in seltenen Fällen können sich die Ebenen überschneiden; für einen kurzen Augenblick zerreißt das Gewebe des Raums, und es öffnet sich ein Loch – oder Tor – zwischen den beiden Universen. Wie das Wurmloch in S tar Trek: Deep Space Nine machen solche Tore Reisen zwischen verschiedenen Welten möglich. Als kosmische Brücken verbinden sie zwei verschiedene Universen oder zwei Punkte desselben Universums (Abbildung 1.2). Wie nicht anders zu erwarten, machte Carroll die Erfahrung, daß Kinder solchen Möglichkeiten mit offenerem Sinn begegnen als Erwachsene, deren Vorteile über Raum und Logik sich im Laufe der Zeit verfestigen. Tatsächlich ist Riemanns Theorie höherer Dimensionen in ihrer Auslegung durch Lewis Carroll zum festen Bestandteil der Kinderliteratur und -folklore geworden und hat noch weitere klassische Kindergeschichten angeregt, wie etwa Dorothys Land des Oz oder Peter Pans Niemals-Niemals-Land.
Doch ohne experimentelle Bestätigung oder überzeugende physikalische Gründe für eine Auseinandersetzung mit solchen Theorien über Parallelwelten führten diese ein wissenschaftliches Schattendasein. Mehr als zwei Jahrtausende lang hatte die Wissenschaft immer mal wieder das Konzept höherer Dimensionen aufgegriffen, um es stets als unüberprüfbare und deshalb törichte Idee abzutun. Obwohl Riemanns Theorie höherer Geometrien mathematisch sehr reizvoll war, beurteilte man sie als intelligent, aber unnütz. Wissenschaftler, die bereit waren, ihren Ruf für die Beschäftigung mit höheren Dimensionen aufs Spiel zu setzen, sahen sich bald dem Spott ihrer Kollegen ausgesetzt. Höherdimensionale Räume wurden zur letzten Zuflucht von Mystikern, Narren und Scharlatanen. Im vorliegenden Buch werden wir uns mit der Arbeit dieser bahnbrechenden Mystiker beschäftigen, vor allem weil sie bei dem Versuch, dem Laien ein »Bild« höherdimensionaler Objekte zu vermitteln, großen Einfallsreichtum entwickelten. Dank solcher Kunstgriffe können wir verstehen, wie solche höherdimensionale Theorien möglicherweise von der breiten Öffentlichkeit aufgefaßt werden.
Wenn wir uns mit der Arbeit dieser früheren Mystiker auseinandersetzen, können wir möglicherweise auch klarer erkennen, was in ihren Ideen
Abbildung 1.2.
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