Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
Jahrhundert die Einführung von höherdimensionalen Raumzeittheorien, wie den Superstrings oder die Theorien vom Kaluza-Klein-Typus, als eine der großen Begriffsrevolutionen beurteilen werden. Wie Kopernikus das Sonnensystem mit seinen konzentrischen Kreisen vereinfacht und die Erde als Herrscherin des Kosmos entthront hat, so verspricht die zehndimensionale Theorie, die Naturgesetze enorm zu vereinfachen und die vertraute Welt der drei Dimensionen zu entthronen. Wie gesehen, ist die entscheidende Erkenntnis, daß eine dreidimensionale Beschreibung der Welt wie das Standardmodell »zu klein« ist, um alle fundamentalen Naturkräfte in einer umfassenden Theorie zu vereinigen. Wenn man die fundamentalen Kräfte in eine dreidimensionale Theorie zwängt, erhält man eine häßliche, künstliche und letztlich unzutreffende Beschreibung der Natur.
Deshalb hat sich in der theoretischen Physik seit einigen Jahrzehnten die Erkenntnis durchgesetzt, daß die fundamentalen Gesetze der Physik in höheren Dimensionen einfacher erscheinen und daß sich diese Gesetze in zehn Dimensionen offenbar alle vereinigen lassen. Mit Hilfe dieser Theorien können wir eine enorme Informationsmenge auf schlüssige und elegante Weise dergestalt zusammenfassen, daß es zu einer Vereinigung der beiden größten Theorien des 20. Jahrhunderts – der Quantenund der allgemeinen Relativitätstheorie – kommt. Vielleicht ist es an der Zeit, daß wir uns mit einigen der vielen Konsequenzen beschäftigen, die die zehndimensionaleTheorie erkennen läßtfür die Zukunft der Physik, für die Debatte zwischen Reduktionisten und Holisten und für die ästhetischen Beziehungen zwischen Physik, Mathematik, Religion und Philosophie.
Zehn Dimensionen und Experiment
Wenn wir mitten in den Turbulenzen und Aufregungen stecken, die die Geburt großer Theorien begleiten, vergessen wir allzu leicht, daß jede Theorie sich letztlich auf dem Prüfstand des Experiments bewähren muß. Die Theorie mag noch so elegant und ansprechend erscheinen, sie ist zum Untergang verurteilt, wenn sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Bei Goethe heißt es: »Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum.« Immer wieder hat die Geschichte diese scharfsinnige Beobachtung bestätigt. Es gibt viele Beispiele für alte, falsche Theorien, die sich jahrelang hartnäckig behauptet haben, nur gestützt durch das Prestige törichter, aber über beste Beziehungen verfügender Wissenschaftler. Manchmal wurde es sogar zu einem politischen Risiko, sich gegen die Macht der verknöcherten etablierten Wissenschaftler aufzulehnen. Viele dieser Theorien kamen erst zu Fall, als sie durch völlig eindeutige Experimente widerlegt wurden.
Beispielsweise erfreute sich die elektromagnetische Theorie des Hermann von Helmholtz, der im Deutschland des 19. Jahrhunderts sehr berühmt war und beträchtlichen Einfluß hatte, weit größerer Anerkennung als Maxwells ziemlich obskure Theorie. Doch mochte Helmholtz’ Theorie auch in aller Munde sein, letztlich bestätigten die Experimente Maxwells Theorie und verurteilten die Helmhotzsche zur Obskurität. Ähnlich verhielt es sich, als Einstein seine Relativitätstheorie vorschlug – viele politisch einflußreiche Wissenschaftler des nationalsozialistischen Deutschlands, beispielsweise der Nobelpreisträger Philip Lenard, verunglimpften ihn so lange, bis er 1933 aus Berlin vertrieben war. Die unspektakuläre, aber unentbehrliche Arbeit in der Physik leistet der Experimentator, der dafür sorgt, daß der Theoretiker auf dem Boden der Tatsachen bleibt. Diese Beziehung zwischen theoretischer und experimenteller Physik bringt der theoretische Physiker Victor Weisskopf vom Massachusetts Institute of Technology sehr treffend auf den Punkt, wenn er feststellt, daß es drei Arten von Physikern gibt: die Maschinenbauer (sie konstruieren die Atomzertrümmerer, die das Experiment ermöglichen), die Experimentatoren (sie planen und führen das Experiment durch) und die Theoretiker (sie entwickeln eine Theorie, um das Experiment zu erklären). Um seinen Gedanken zu verdeutlichen, zieht Weisskopf Columbus’ Fahrt nach Amerika zum Vergleich heran:
Wenn wir das mit der Entdeckung Amerikas vergleichen, würde ich sagen, daß die Gerätebauer den Kapitänen und Schiffsbauern entsprechen, die damals die technischen Verfahren entwickelten. Die Experimentalphysiker waren die Burschen auf den Schiffen, die auf die andere Hälfte der
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