Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
Jahre nach 1970 können daher als der Zeitraum angesehen werden, in dem die traditionelle Denkungsart der Naturwissenschaften des Abendlandes voll bestätigt wurde. Vermutlich wird es noch eine Weile dauern, bis diese von einer kleinen Gruppe theoretischer Physiker ausgehende Erkenntnis sich verbreitet und zu einem Teil des allgemeinen Weltbilds wird. 5
Allerdings vertreten die Jünger des Holismus den genau entgegengesetzten Standpunkt. Sie behaupten, das Konzept der Vereinigung, das vielleicht wichtigste Thema der gesamten Physik, sei seiner Natur nach ganzheitlich und nicht reduktionistisch. Während Einsteins letzter Lebensjahre hätten die Reduktionisten, so berichten sie, hinter seinem Rücken über ihn gekichert und behauptet, er werde senil, weil er versuche, alle Kräfte des Kosmos zu vereinigen. Die Entdeckung einheitlicher Muster in der Natur sei ein Konzept, das Einstein entwickelt habe und nicht die Reduktionisten. Im übrigen zeige die Unfähigkeit der Reduktionisten, eine überzeugende Lösung für das Paradox der Schrödingerschen Katze zu liefern, daß sie sich einfach dafür entschieden hätten, die tieferen, philosophischen Fragen zu ignorieren. Gewiß, die Reduktionisten hätten große Erfolge mit der Quantenfeldtheorie und dem Standardmodell erzielt, aber diese Erfolge seien auf Sand gebaut, weil die Quantentheorie letztlich doch eine unvollständige Theorie bleibe.
Natürlich haben beide Seiten recht. Nur faßt jede Partei andere Aspekte eines schwierigen Problems ins Auge. Doch in ihren Extremformen verkommt die Debatte gelegentlich zu einer Auseinandersetzung zwischen dem, was ich eine martialische Wissenschaft und eine agnostische Wissenschaft nennen möchte.
Die martialische Wissenschaft knüppelt Andersdenkende mit einem kompromißlosen, strengen Wissenschaftsbegriff nieder, der vor den Kopf stößt, statt zu überzeugen. In einer Debatte versucht die martialische Wissenschaft, Punkte zu sammeln, und nicht, die Zuhörer für sich zu gewinnen. Statt sich an die nobleren Empfindungen des Laienpublikums zu wenden, indem sie sich als Verteidigerin der aufgeklärten Vernunft und des durchdachten Experimentes präsentiert, tritt sie auf wie die spanische Inquisition. Die martialische Wissenschaft vermag ihre Angriffslust nicht zu zügeln. Da wird den Holisten vorgeworfen, sie seien Schwachköpfe, könnten physikalische Begriffe nicht auseinanderhalten und verschleierten ihre Unkenntnis mit pseudowissenschaftlichem Unsinn. Auf diese Weise gewinnt die martialische Wissenschaft vielleicht einzelne Schlachten, nicht aber den Krieg. So mag die martialische Wissenschaft aus den Scharmützeln Mann gegen Mann siegreich hervorgehen, weil sie allen Widerstand niedermacht, indem sie Heere von Daten und gelehrten Professoren aufmarschieren läßt, aber auf lange Sicht dürften sich Hochmut und Dünkel gegen ihre Urheber richten, weil sie genau die Zuhörerschaft verprellen, die sie überzeugen wollen.
Die agnostische Wissenschaft verfällt ins andere Extrem, indem sie Experimente ablehnt und sich jeder Philosophie in die Arme wirft, die gerade in Mode ist. Unangenehme Tatsachen sind für die agnostische Wissenschaft bloße Einzelheiten, während nur der große philosophische Entwurfzählt. Wenn sich die Tatsachen nicht mit der Philosophie vertragen, dann muß etwas falsch sein an den Tatsachen. Die agnostische Wissenschaft geht von einem festen Programm aus, dessen Ziel persönliche Erfüllung und nicht objektive Beobachtung ist; die wissenschaftliche Methode spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Der Graben zwischen den beiden Lagern brach erstmals während des Vietnamkriegs auf, als die Flower-Generation entsetzt war über den massiven, völlig unverhältnismäßigen Einsatz tödlicher Technik gegen eine friedliche Nation. Doch das Gebiet, auf dem diese Debatte in letzter Zeit wohl vor allem die Gemüter erhitzt, ist die Gesundheit des einzelnen Bürgers. Beispielsweise haben gut bezahlte Lobbyisten der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie in den fünfziger und sechziger Jahren erheblichen Einfluß auf den amerikanischen Kongreß und das medizinische Establishment ausgeübt, um eine gründliche Untersuchung der schädlichen Wirkung von Cholesterin, Tabak, tierischen Fetten, Pestiziden und Nahrungszusätzen zu verhindern; inzwischen ist deren Beteiligung an Herzund Krebserkrankungen gründlich belegt.
Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der Skandal um das Pestizid
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