Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
beweisen lassen.) So wird Ptolemäus wohl in die Geschichte eingehen als der Mann, der sich gegen zwei wichtige wissenschaftliche Ideen sperrte: das Sonnensystem mit der Sonne als Mittelpunkt und die vierte Dimension.
Im Laufe der Jahrhunderte hat dann mancher Mathematiker die Contenance verloren, wenn er gegen die vierte Dimension vom Leder zog. So wetterte 1685 John Wallis gegen das Konzept und nannte es ein »Monstrum, dessen Vorkommen in der Natur weniger wahrscheinlich ist als das einer Schimäre oder eines Zentauren … Länge, Breite und Höhe nehmen den gesamten Raum ein. Beim besten Willen vermag sich die Phantasie nicht auszumalen, wo neben diesen drei räumlichen Dimensionen noch eine vierte sein soll.« Mehrere Jahrtausende hindurch wiederholten die Mathematiker diesen einfachen, aber folgenschweren Fehler – die Auffassung, daß es die vierte Dimension nicht geben kann, weil wir uns in unserer Vorstellung kein Bild von ihr zu machen vermögen.
Die Einheit aller physikalischen Gesetze
Zum entscheidenden Bruch mit der euklidischen Geometrie kam es, als Gauß seinen Studenten Riemann aufforderte, einen Vortrag über die »Grundlagen der Geometrie« vorzubereiten. Gauß war sehr gespannt, ob es seinem Studenten gelänge, eine Alternative zur euklidischen Geometrie zu entwickeln. Schon Jahrzehnte zuvor hatte der Meister in privatem Kreis entschiedene und grundlegende Vorbehalte gegenüber der euklidischen Geometrie angemeldet. Zu seinen Kollegen sprach er sogar von hypothetischen »Bücherwürmern«, die ganz auf einer zweidimensionalen Fläche leben könnten. Das ließe sich, so Gauß, auf die Geometrie des höherdimensionalen Raums übertragen. Doch da er ein zutiefst konservativer Mann war, veröffentlichte er nie eine Zeile seiner Arbeit über höhere Dimensionen, weil er die Empörung der engstirnigen, reaktionären alten Garde fürchtete. Spöttisch nannte er sie nach einem geistig zurückgebliebenen griechischen Stamm »Böotier«. 4
Riemann hingegen war entsetzt. Dieser schüchterne Mensch, dem jeder öffentliche Auftritt ein Horror war, sollte nun vor der gesamten Fakultät einen Vortrag über das schwierigste mathematische Problem des Jahrhunderts halten.
Im Laufe der nächsten Monate begann Riemann, unter großen Mühen die Theorie höherer Dimensionen zu entwickeln, wobei er seine Gesundheit so strapazierte, daß er einen Nervenzusammenbruch erlitt. Seine Widerstandskraft wurde zusätzlich durch seine katastrophale finanzielle Situation geschwächt. Er sah sich gezwungen, schlecht bezahlte Nachhilfe zu geben, um seine Familie zu unterstützen. Außerdem war er abgelenkt, weil er versuchte, bestimmte physikalische Probleme zu erklären. Namentlich half er einem anderen Professor, Wilhelm Weber, bei Experimenten auf einem faszinierenden neuen Forschungsgebiet – der Elektrizität.
Natürlich war die Elektrizität in Form von Blitzen und Funkenentladungen seit altersher bekannt. Doch Anfang des 19. Jahrhunderts wurde dieses Phänomen zum Interessenschwerpunkt der physikalischen Forschung. Insbesondere weckte die Entdeckung, daß ein stromdurchflossener Draht, um eine Kompaßnadel geführt, diese zum Rotieren bringen kann, die Neugier der physikalischen Gemeinschaft. Umgekehrt läßt sich ein elektrischer Strom in einem Draht induzieren, wenn man einen Stabmagneten darüber hin bewegt. (Das bezeichnen wir als Faradaysches Gesetz, und heute beruhen alle Generatoren und Transformatoren – also viele Voraussetzungen der modernen Technik-auf diesem Prinzip.)
Für Riemann bedeutete dieses Phänomen, daß Elektrizität und Magnetismus in gewisser Weise Manifestationen derselben Kraft sind. Von den neuen Entdeckungen begeistert, war Riemann der Überzeugung, er könne eine mathematische Erklärung liefern, die Elektrizität und Magnetismus vereinige. So vergrub er sich in Webers Labor, um zu beweisen, daß die neue Mathematik ein umfassendes Verständnis dieser Kräfte liefert.
Dieser Dreifachbelastung-Vorbereitung eines großen Vortrags über die »Grundlagen der Geometrie«, Unterstützung der Familie und Durchführung physikalischer Experimente – hielt seine Gesundheit schließlich nicht mehr stand; 1854 erlitt Riemann einen Nervenzusammenbruch. Später schrieb er dem Vater: »Die Untersuchung der Einheit aller physikalischen Gesetze fesselte mich so sehr, daß ich mich, als mir das Thema der Probevorlesung gegeben war, von meinen Forschungen nicht
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