Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
ruiniert hat: unter entsetzlicher Armut und Schwindsucht (Tuberkulose). In Persönlichkeit und Temperament ließ er nichts von der atemberaubenden Kühnheit, Entschlossenheit und Selbstgewißheit erkennen, die für sein Werk so charakteristisch sind.
1826 wurde Riemann in Hannover als zweites von sechs Kindern eines armen evangelischen Pfarrers geboren. Der hatte als Soldat in den napoleonischen Kriegen gedient und nun als Landpfarrer Mühe, seine große Familie durchzubringen. Hören wir Riemanns Biographen E. T. Bell: »Manche Biographen deuten mit gewisser Berechtigung an, daß die schwache Gesundheit und der frühe Tod der Kinder auf Unterernährung in ihrer Jugendzeit zurückzuführen ist.« 1
Schon in sehr frühen Jahren zeigte Riemann seine hervorstechendsten Charakterzüge: eine phantastische Rechenfähigkeit gepaart mit Schüchternheit und einer lebenslangen Scheu vor jedem öffentlichen Auftritt. Schüchtern wie er war, wurde er natürlich zur Zielscheibe der grausamen Scherze anderer Kinder, was ihn dazu veranlaßte, sich noch stärker in die ganz private Welt der Mathematik zurückzuziehen.
Außerdem hing er so sehr an seiner Familie, daß er seine ohnehin angegriffene Gesundheit und Konstitution noch mehr strapazierte, um Geschenke für die Eltern und vor allem seine geliebten Schwestern kaufen zu können. Seinem Vater zu Gefallen begann Riemann ein Theologiestudium. So rasch wie möglich wollte er in eine bezahlte Pfarrstelle gelangen, um der Familie aus ihrer ausweglosen Finanznot zu helfen. (Man kann sich kaum eine aberwitzigere Situation vorstellen als diesen sprachgehemmten, schüchternen jungen Mann auf der Kanzel, wo er wider Sünde und Hoffart wettert.)
Am Gymnasium beschäftigte er sich intensiv mit der Bibel, doch immer wieder verirrten sich seine Gedanken zur Mathematik. Er versuchte sich sogar an einem mathematischen Beweis für die Richtigkeit der Genesis. Im übrigen lernte er so rasch, daß er seine Lehrer rasch überflügelte, die mit dem Jungen nicht mitzuhalten vermochten. Schließlich gab der Direktor der Lehranstalt Riemann ein schwieriges Buch zu lesen, um ihn zu beschäftigen. Es handelte sich um die Th eorie der Zahlen von Adrien-Marie Legendre, ein gewaltiges, 859 Seiten starkes Werk, das damals die modernste Abhandlung über das schwierige Thema der Zahlentheorie darstellte. Riemann verschlang das Buch in sechs Tagen.
Als ihn der Direktor fragte: »Wie weit haben Sie es gelesen?«, antwortete der junge Riemann: »Es ist wirklich ein herrliches Buch. Ich beherrsche es ganz.« Der Direktor, in der Meinung, der Knabe schneide auf, stellte ihm ein paar Monate später einige verzwickte Fragen zu dem Buch, die Riemann alle fehlerlos beantwortete. 2
Es wäre sicherlich verständlich gewesen, wenn Riemanns Vater, erschöpft von dem täglichen Kampf, die Familie zu ernähren, den Sohn in niedrige Dienste gegeben hätte. Statt dessen kratzte er genügend Geld zusammen, um den neunzehnjährigen Sohn auf die angesehene Göttinger Universität zu schicken, wo er erstmals mit Carl Friedrich Gauß zusammentraf, dem anerkannten »Fürsten der Mathematiker«, einem der größten Mathematiker aller Zeiten. Noch heute wird jeder Mathematiker, den Sie bitten, die drei bekanntesten Mathematiker aller Zeiten zu nennen, mit Sicherheit auf die Namen Archimedes, Isaac Newton und Carl Gauß verfallen.
Doch für Riemann war das Leben eine endlose Kette von Rückschlägen und Problemen, die er nur unter größten Schwierigkeiten und auf Kosten seiner schwachen Gesundheit bewältigte. Auf jeden Triumph folgten Tragödie und Niederlage. Als sich beispielsweise seine Situation besserte und er sein Studium bei Gauß begann, brach in Deutschland eine Revolution aus. Die Arbeiterklasse, der unmenschlichen Lebensverhältnisse überdrüssig, unter denen sie lange genug gelitten hatte, erhob sich gegen die staatliche Gewalt: In zahlreichen deutschen Großstädten griffen die Arbeiter zu den Waffen. Die Demonstrationen und Aufstände im Frühjahr 1848 prägten die Schriften eines anderen Deutschen, Karl Marx, und hatten während der nächsten fünfzig Jahre maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der revolutionären Bewegungen in ganz Europa.
Da ganz Deutschland in Aufruhr geriet, mußte Riemann sein Studium unterbrechen. Er wurde in das Studentenkorps einberufen, wo er das zweifelhafte Vergnügen hatte, sechzehn Stunden lang auf jemanden aufzupassen, der noch mehr Angst hatte als
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