Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
er selbst – den König, der zitternd und bebend in seinem Berliner Schloß saß und sich vor dem Zorn der Arbeiter zu verbergen suchte.
Über die euklidische Geometrie hinaus
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Mathematik erhoben sich die Stürme der Revolution. Und so richtete sich Riemanns Interesse auf den bevorstehenden Sturz einer anderen Hochburg der Autorität, der euklidischen Geometrie, derzufolge der Raum dreidimensional ist. Überdies ist ihr dreidimensionaler Raum »flach« (im flachen Raum ist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten eine gerade Linie; dadurch wird die Möglichkeit ausgeschlossen, daß der Raum, wie etwa auf einer Kugel, gekrümmt ist).
In der Tat dürften Euklids Elemente nach der Bibel das einflußreichste Buch aller Zeiten gewesen sein. Zwei Jahrtausende lang haben die scharfsinnigsten Denker des Abendlandes die Eleganz und Schönheit seiner Geometrie bestaunt. Tausende der prächtigsten Kathedralen Europas wurden nach seinen Gesetzen erbaut. In der Rückschau betrachtet, war es vielleicht zu erfolgreich. Im Laufe der Jahrhunderte hat es fast religiöse Bedeutung gewonnen. Wer es wagte, gekrümmte Räume oder höhere Dimensionen vorzuschlagen, wurde zum Narren oder Ketzer abgestempelt. Unzählige Schülergenerationen wurden mit den Lehrsätzen der euklidischen Geometrie getriezt: daß der Umfang eines Kreises p mal dem Durchmesser ist oder daß die Winkelsumme im Dreieck 180 Grad beträgt. Doch obwohl sich die klügsten mathematischen Köpfe jahrhundertelang mühten, vermochten sie diese scheinbar so einfachen Lehrsätze nicht zu beweisen. Da begannen die europäischen Mathematiker zu erkennen, daß Euklids Elemente, das seit 2300 Jahren verehrt wurde, unvollständig war. Solange man sich mit flachen Ebenen zufriedengab, kam man mit Euklids Geometrie zurecht, doch sobald man sich in die Welt gekrümmter Flächen wagte, war sie eindeutig falsch.
Riemann erschien Euklids Geometrie äußerst steril, verglichen mit der ganzen Vielfalt dieser Welt. Nirgends in der natürlichen Welt sind die flachen, idealisierten geometrischen Figuren des Euklid zu entdecken. Gebirgsketten, Meereswellen, Wolken und Strudel sind keine vollkommenen Kreise, Dreiecke und Quadrate, sondern gekrümmte Objekte, die sich in unendlicher Vielfältigkeit biegen und verdrehen.
Die Zeit war reif für eine Revolution, doch wer würde sie führen und wer die alte Geometrie ersetzen?
Aufstieg der Riemannschen Geometrie
Riemann lehnte sich gegen die scheinbare mathematische Exaktheit der griechischen Geometrie auf, weil ihre Grundlagen, wie er feststellte, letztlich auf den trügerischen Sand des gesunden Menschenverstands und der Intuition gebaut waren und nicht auf den festen Boden der Logik.
Es sei offenkundig, sagte Euklid, daß ein Punkt keinerlei Dimension habe. Eine Linie hat eine Dimension – die Länge. Zwei Dimensionen besitzt eine Ebene: Länge und Breite. Ein fester Körper hat drei Dimensionen – Länge, Breite und Höhe. Und damit ist Schluß. Nichts hat vier Dimensionen. Dieser Auffassung war auch der Philosoph Aristoteles, der offensichtlich als erster kategorisch festgestellt hat, die vierte räumliche Dimension sei unmöglich. In seiner Schrift Vo m Himmel heißt es: »Die Linie besitzt Ausdehnung in einer Weise, die Ebene in zwei Weisen und der feste Körper in drei Weisen; darüber hinaus gibt es keine Ausdehnung, weil es nur diese drei Weisen gibt.« 150 n. Chr. ging der Astronom Ptolemäus von Alexandrien noch über Aristoteles hinaus und »bewies« in seinem Buch Über Entfernung als erster höchst einfallsreich, daß die vierte Dimension nicht möglich ist.
Zuerst, sagte er, solle man drei Linien zeichnen, die alle senkrecht zueinander stehen. Beispielsweise wird die Ecke eines Würfels aus drei senkrecht zueinander verlaufenden Linien gebildet. Dann solle man versuchen, so Ptolemäus, eine vierte Linie zu zeichnen, die senkrecht zu den drei ersten stehe. Vier Linien, die alle senkrecht zueinander verlaufen, lassen sich beim besten Willen nicht zeichnen. Ptolemäus erklärte, eine vierte senkrechte Linie sei »gänzlich ohne Maß und Definition«. Folglich sei die vierte Dimension unmöglich.
Tatsächlich bewiesen hat Ptolemäus etwas ganz anderes: Wir können uns mit unseren dreidimensionalen Gehirnen kein Bild von der vierten Dimension machen. (Heute wissen wir, daß sich viele Objekte in der Mathematik nicht sichtbar machen, wohl aber
Weitere Kostenlose Bücher