Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
ausgeübt.)
Super-Maßtensoren
Peter van Nieuwenhuizen ist eine ziemlich ungewöhnliche Erscheinung in physikalischen Kreisen. Hochgewachsen, sonnengebräunt, von sportlichem Erscheinungsbild und elegant gekleidet, hat man eher den Eindruck, es mit einem Schauspieler zu tun zu haben, der in einem Fernsehspot für Sonnenöl wirbt, als mit einem der Supergravitations-Väter. Der geborene Holländer ist heute Professor in Stony Brook. Wie ‘t Hooft hat er bei Veltman studiert und interessierte sich deshalb schon lange für das Problem der Vereinigung. Er gehört zu den wenigen Physikern, die überhaupt keine mathematische Schmerzgrenze zu besitzen scheinen. Für die Arbeit mit der Supergravitation ist ein ungewöhnliches Maß an Geduld erforderlich. Wie gezeigt, besaß der einfache Maßtensor, den Riemann im 19. Jahrhundert einführte, nur zehn Komponenten. Diesen Riemannschen Maßtensor hat man jetzt durch den Super-Maßtensor der Supergravitation ersetzt, der buchstäblich Hunderte von Komponenten besitzt. Das kann nicht überraschen, denn jede Theorie, die eine höhere Dimensionenzahl besitzt und sich anschickt, die gesamte Materie zu vereinigen, muß genügend Komponenten für ihre Beschreibung aufweisen, doch das erhöht die mathematische Kompliziertheit der Gleichungen erheblich. (Gelegentlich frage ich mich, was Riemann wohl sagen würde, wenn er erführe, daß sich nach einem Jahrhundert sein Maßtensor zu einer Supermetrik erweitert hat, die entschieden über alle mathematischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts hinausgeht.)
Die Entwicklung von Supergravitation und Super-Maßtensoren hat bewirkt, daß der mathematische Stoff, den ein Physikstudent heute bewältigen muß, in den letzten Jahrzehnten eine explosionsartige Ausweitung erfahren hat. Dazu meint Steven Weinberg: »Betrachten Sie nur, was mit der Supergravitation geschieht. Die Leute, die seit nunmehr zehn Jahren daran arbeiten, sind außerordentlich intelligent, teilweise intelligenter als alle, die ich in meinen Anfangsjahren kennengelernt habe. « 7
Peter van Nieuwenhuizen ist nicht nur ein bewundernswerter Rechenkünstler, sondern auch ein Trendsetter. Da die Berechnungen für eine einzige Supergravitationsgleichung leicht das Fassungsvermögen eines normalen Papierbogens überschreiten, begannen wir schließlich, überdimensionierte Skizzenblöcke von Malern zu benutzen. Als ich Peter einmal besuchte, konnte ich beobachten, wie er vorging. Er fing in der oberen linken Ecke des Blockes an und schrieb die Gleichungen in seiner mikroskopischen Handschrift nieder. Dann breitete er sich zur Seite und nach unten auf dem Skizzenblock aus, bis er ihn zur Gänze gefüllt hatte, wendete die Seite um und begann von neuem. Diese Beschäftigung setzte er stundenlang fort, bis die Rechnung abgeschlossen war. In seiner Tätigkeit hielt er nur inne, um den Bleistift in einen neben ihm angebrachten elektrischen Bleistiftanspitzer zu stecken, woraufhin er seine Berechnung Sekunden später wiederaufnahm, ohne ein einziges Symbol zu vergessen. Schließlich stellte er die Skizzenbücher in sein Bücherregal, als seien sie Hefte einer wissenschaftlichen Zeitschrift. Allmählich breitete sich die Kunde von Peters Skizzenblöcken auf dem Campus aus, und es wurde bei Physikstudenten Mode, sich die unhandlichen Mappen zu kaufen, so daß man bald überall auf dem Campus junge Physikadepten sah, die diese Dinger mühsam, aber stolz unterm Arm schleppten.
Einmal arbeiteten Peter, sein Freund Paul Townsend (heute an der Cambridge University) und ich gemeinsam an einem besonders vertrackten Problem der Supergravitation. Die Rechnungen waren so schwierig, daß sie einige hundert Seiten in Anspruch nahmen. Da wir alle unseren Berechnungen nicht ganz trauten, verabredeten wir ein Treffen in meinem Eßzimmer, um unsere Arbeit gemeinsam zu überprüfen. Wir standen vor einer extrem schwierigen Aufgabe: Mehrere tausend Terme mußten sich exakt zu null addieren. (Als theoretischer Physiker kann man sich gewöhnlich ganze Gruppen von Gleichungen »bildlich« vorstellen und sie umformen, ohne Papier und Bleistift zu Hilfe nehmen zu müssen. Doch angesichts der Länge und Schwierigkeit unseres Problems mußten wir jedes Minuszeichen in der Rechnung überprüfen.)
Zunächst unterteilten wir das Problem in einige große Abschnitte. Zu dritt saßen wir also am Eßtisch und rechneten eifrig alle den gleichen Abschnitt durch. Nach etwa einer Stunde verglichen
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