Hypnose
nickte.
»Soll ich auch gehen?«, fragte Peter.
Wieder nickte sie.
Es dauerte eine Weile, bis Peter ihre Hand losließ, aber dann hörte sie die beiden hinausgehen.
Nachdem sich die Türe geschlossen hatte, schlichen sich Tränen in Inkas Augenwinkel, und ihr kam eine Melodie in den Sinn.
Que sera, sera, whatever will be, will be. The future’s not ours to see. Que sera, sera. What will be, will be.
✴
Zwei Tage später, nachdem sie die Intensivstation verlassen hatte, erhielt sie auf der normalen Station des Krankenhauses Besuch von Andi. Nach einem leisen Klopfen streckte er den Kopf zur Tür herein, und als er sah, dass sie wach war, zog er eine dicke Plüschkatze hinter seinem Rücken hervor, die seinem Kater ziemlich ähnlich sah.
Inka musste lächeln.
Andi setzte den Kater auf ihre Bettdecke. »Blumen zu überreichen, ist nicht so mein Ding«, sagte er. »Und ich dachte mir, jemanden zum Knuddeln kann man immer brauchen. Jonas wird sich bestimmt auch drüber freuen.« Vorsichtig streichelte er ihr über ihre Hand, mit der sie immer noch an der Infusion hing. Die andere Hand war verbunden.
»Danke, Andi. Du hast Jonas und mir das Leben gerettet.«
»Ach, halb so wild, keine Sentimentalitäten, bitte. Es wird Zeit, dass du deinen Sohn endlich wiedersiehst. Ich habe gerade mit einer Schwester gesprochen, die sagte mir, sie wolle ihn jetzt von der Säuglingsstation holen und zu dir bringen.«
Ihr Kopf sank zurück in das Kissen. In ein paar Minuten würde sie ihr Baby im Arm halten und endlich Mutter sein.
In ein paar Minuten wird mein Leben ein anderes sein . Das, was ich in den letzten Monaten nicht einmal zu träumen gewagt habe, geht in Erfüllung.
»Angst?«, fragte Andi, als er sich einen Stuhl zu ihr ans Bett zog. Inka nickte. Wieder einmal schätzte er ihre Gefühle richtig ein.
Noch einmal sah sie den Moment vor sich, als sie kurz vor dem Schnitt die spitzige Glasscherbe auf ihrer Haut unter den Röcken spürte. Danach konnte sie sich an nichts mehr erinnern.
»Woher hattest du die Waffe, um Brunner zu erschießen? Als Kriminaltechniker bist du wie Peter auch an der Waffe ausgebildet, aber du läufst doch nicht mit einer Pistole herum.«
»Weißt du … seit Yvonnes Tod hatte ich immer eine Pistole im Auto, falls mir der Raser, der meine kleine Familie umgebracht hat, eines Tages noch mal irgendwo begegnet. Dieser Zufall ist nie eingetreten, glücklicherweise, aber die Waffe im Auto zu haben, wurde zur Gewohnheit … Und jetzt war sie meine Rettung.«
»Warum bist du nicht in die Klinik gekommen?«
»Ich war da, Inka, und ich konnte mir keinen Reim darauf machen, warum ich dich nicht mehr dort angetroffen habe. Ich stieß im Therapiezimmer auf Brinkhus’ Leiche und fand dein zertrümmertes Handy am Boden, daneben die unter Hypnose daliegende Evelyn! Ich verständigte die Kollegen, musste allerdings wegen des Toten auf deren Ankunft warten, und ließ mir Brunners Adresse aushändigen – ein Zusammenhang mit seinem Ausbruch aus der Psychiatrie erschien mir jetzt plausibel. Mit einem Kollegen fuhr ich quer durch die Stadt nach Sillenbuch, aber es dauerte ewig bei dem Verkehr … Endlich dort angekommen klingelte ich an der verschlossenen Haustür Sturm. Keine Reaktion im Inneren des Hauses. Durch die Fenster konnte ich nichts erkennen. In diesem Augenblick hörte ich die nahende Sirene des Notarztes. Als er ein paar Minuten später dicht gefolgt von Rettungshelfern im Laufschritt ankam, blieb mir fast das Herz stehen. Was war passiert? Gerade als wir die Tür aufbrechen wollten, ertönte der Türsummer. Vermutlich hatte Brunner mein Klingeln so lange ignoriert, bis er das Martinshorn gehört hatte …«
»Da war ich schon fast am Verbluten …«, sagte Inka leise, und Andi streichelte ihr wieder über die Hand.
»Brunner rief aus einiger Entfernung, die Rettungshelfer sollten hereinkommen, aber er würde jeden umbringen, der ihm zu nahe käme …«
»Hätte es nicht genügt, nur auf sein Bein zu zielen?«, fragte Inka. »Musstest du ihn gleich erschießen?«
Offenbar klang ihr Einwand wie eine Kritik in seinen Ohren, und er sagte ungewohnt barsch: »Ja, das musste ich.«
Auch wenn sie Brunner keine Träne nachweinte, so fand Inka doch, dass er den Tod nicht verdient hatte. Für seine Taten hätte ihm der Prozess gemacht werden müssen und er lebenslang hinter Gitter gehört. Er hatte zwei Morde in Auftrag gegeben und das Leben seiner Töchter ruiniert. Dafür hätte er büßen
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