Hypnose
nicht bezahlt worden.
Wann hatte alles angefangen? Das konnte doch nicht schon ewig so gehen! Aber mindestens ein Jahr, denn länger zurück waren die Kontoauszüge nicht einsehbar. Ein Jah r ! Alle paar Wochen gab es auch mal eine Bargeld ein zahlung, die niedrigste lag bei zweihundert Euro, die höchste bei achthundert. Doch … halt! Was war das? Zehntausend Euro , in bar eingezahlt am 30 . 12. mit dem Vermerk Für Jonas. Das war doch um Himmels willen nicht wahr! Zu diesem Zeitpunkt war ihr Sohn schon eine Woche tot gewesen. Wer um alles in der Welt hatte so viel Geld zur Geburt auf Peters Konto eingezahlt, ohne dass sie davon wusste?
Hatte jemand bezahlt, weil Jonas gestorben war? Als eine Art Wiedergutmachung? Schweigegeld? Oder war es am Ende etwa eine Bezahlung für Jonas, weil er lebte und verkauft worden war?
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Die tiefe Verunsicherung verursachte Inka Bauchschmerzen. Als sie einen Screenshot des Kontoauszuges auf ihrem Rechner unter dem Dateinamen Jonas abspeichern wollte, meldete ihr das Programm, dass eine Datei dieses Namens schon vorhanden sei. Daran fand Inka zunächst nichts Außergewöhnliches, allerdings konnte sie sich nicht erinnern, was sie darunter abgespeichert haben könnte, also schaute sie nach. Die Word-Datei war am 25. Juni um 11.51 Uhr erstellt worden – das war der Samstag gewesen, als sie morgens von Jannis’ Tod erfahren hatte. Um diese Uhrzeit war sie doch unterwegs gewesen, zuerst bei Peter auf der Dienststelle und anschließend zur Hypnose bei Doktor Brinkhus.
Mit einem unguten Gefühl öffnete sie das Dokument. Als sie die ersten Zeilen las, stockte ihr der Atem. DAS SPIEL DES LEBENS … Inka scrollte nach unten. Du musst noch tiefer graben, um die Wahrheit zu finden. Dieser Text, dieSpielanleitung, die in dem Hypnosebuch gesteckt hatte, war auf ihrem Laptop geschrieben und ausgedruckt worden! Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter. Wer hatte sich Zugang zum Haus verschafft? Aber das Passwort für den Laptop besaß außer ihr nur Peter. Mein Güte, wenn es tatsächlich Peter gewesen war, wie konnte er so dreist sein, diese Datei auch noch in ihrem Rechner abzuspeichern? Fühlte er sich mit seinem bösen Spiel so sicher? Glaubte er, die vielen schönen gemeinsamen Jahre und die Tatsache, dass sie verheiratet waren, würden ihn vor ihrem Verdacht schützen? Oder hatte er es darauf angelegt, dass sie die Datei früher oder später entdecken würde? Hätte sie nicht zufällig tanken müssen, um zu Lindemanns Einladung zu kommen, hätte sie nicht den Stein um die unklaren Kontostände ins Rollen gebracht. Sollte sie psychisch mürbe gemacht werden? Wo war sie da nur hineingeraten?
Von einer Minute auf die nächste bekam sie regelrechte Magendarmkrämpfe, die sie zum Erstarren brachten und ihr fast die Luft nahmen. Inka lehnte sich auf dem Sofa zurück und atmete in den Schmerz hinein, so wie sie es bei aufkommenden Wehen gelernt hatte. Das hier war fast so schlimm, aber gleich würde es sicher nachlassen. Es musste besser werden, schließlich hatte sie dieses Mal nichts Falsches gegessen. Genau genommen überhaupt nichts seit heute Morgen. Die Krämpfe ließen für einen Moment nach, nur um nach einer kurzen Verschnaufpause mit unverminderter Wucht zurückzukehren.
Diese Schmerzen! Sie bekam Schweißausbrüche und das Gefühl, als müsste sie aus ihrem Körper ausbrechen, weil die Hülle zu eng geworden war. Ein kaum auszuhaltender innerer Druck, wie bei einer Mineralwasserflasche kurz vor dem Bersten.
Kaum mehr zu einem klaren Gedanken fähig, griff sich Inka ihr Handy und drückte die Wahlwiederholungstaste, um Peter zu erreichen. Es war ein Reflex, weil er immer an ihrer Seite gestanden hatte, um ihr zu helfen. Hatte – Vergangenheitsform. Sie wollte es in ihrer momentanen misslichen Situation nicht wahrhaben, dass er sie bösartig hintergangen haben könnte. Das Rufzeichen ertönte, dann sprang nach einer Weile die Mailbox an. Himmel, noch mal! Was, wenn sie hier vor Schmerzen besinnungslos wurde?
Es klingelte an der Tür.
Die Rettung! Jetzt würde sie sich sogar freiwillig ins Krankenhaus bringen lassen – Hauptsache, diese Folterqualen hörten auf.
»Moment, ich mache auf!«, keuchte sie. Mit einer Hand stützte sie sich an der Wand ab und hangelte sich in den Flur, mit der anderen hielt sie sich den Bauch. Peter hatte sein Sakko an der Garderobe hängen lassen, und beim Blick auf das Schlüsselbrett bemerkte sie, dass er sogar den Haustürschlüssel vergessen
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