I love you, honey
auch erst wieder im Morgengrauen das Fest; gegen Mittag werden wir abreisen.
Am nächsten Morgen packe ich schnell meine Sachen zusammen, mache das Bett und laufe die Treppe hinunter. In der Eingangshalle warten bereits Kamal mit seiner Mutter und die Verwandten auf mich. Die jungen Eheleute und ihre Familie verabschieden sich von uns und wünschen uns eine gute Heimreise. Wir steigen in das Auto, in dem schon sein Cousin abfahrbereit sitzt und treten die Rückfahrt an. Ich schlafe während der meisten Zeit, weil ich nach den durchtanzten Nächten sehr müde bin. Auch Kamal ist ruhig und seine Mutter blättert wortlos in einer Zeitung.
Als wir gegen Abend Rabat erreiche n, werde ich etwas munterer. Kamals Cousin bringt mich als Erste nach Hause. Wir halten vor meiner Tür und Kamal küsst mich auf die Wange: ,,I´ll come later, honey.“ Ich freue mich, dass er mich später noch besuchen wird.
Ich winke dem Auto hinterher, schließe das Tor auf und durchquere den Garten. In meiner Wohnung ziehe mir die vers chwitzte Kleidung aus und wasche mich gründlich. Dann streife ich mir ein frisches, beiges Leinenkleid über und warte ungeduldig auf Kamal. Schon nach kurzer Zeit erscheint er und wir genießen die kühle Abendluft auf der Terrasse. Ich habe mittlerweile einen runden, weißen Gartentisch aus Plastik mit vier passenden Stühlen besorgt. Aus der Küche bringe ich gekühlten Schwarztee und wir unterhalten uns über die vergangenen Tage. Als wir hungrig werden, holt Kamal gegrillte Fleischspieße für uns von einer Garküche um die Ecke. Gemeinsam verbringen wir gemütlichen Stunden und ich wage nach den Tagen in Marrakesch zu hoffen, dass Kamal doch nicht so dem Alkohol verfallen ist, wie es manchmal den Anschein hat.
Start in ein neues Leben
Als Kamal und ich am nächsten Tag bei dem Café ankommen, warten schon seine Freunde auf uns. Sie haben alle notwendigen Malerutensilien, Farbe und eine Leiter mitgebracht. Sofort machen wir uns an die Arbeit. Nach ein paar Stunden sehen die Räume hell und freundlich aus. Ein Verwandter von Kamal kommt vorbei und schenkt uns eine gebrauchte Kaffeemaschine. Ein anderer bringt Tee – und Kaffeegeschirr vorbei. Ich bin von dieser Hilfsbereitschaft überwältigt. Plötzlich steht ein Lieferwagen vor der Tür und es werden Tische und Stühle ausgeladen. Ein Nachbar von Kamal hat von seinem Vorhaben erfahren und sich an seine alte, aber gut erhaltene Caféhauseinrichtung im Keller erinnert. Jetzt schenkt er sie uns. Spät abends ist unser Café fertig renoviert und eingerichtet. Müde, aber glücklich, schaue ich mich nach getaner Arbeit um. Die Wände sind hellblau gestrichen und der grau-blaue Mosaikboden ist sauber gewischt und sieht aus wie neu. Die braunen Rattantische-und stühle haben wir entlang der Wände aufgestellt. Links vom Eingang befindet sich ein Holztresen, dahinter führt eine Tür in einen Abstellraum, wo wir unsere Vorräte lagern können. Ich hätte nicht gedacht, dass alles so schnell geht. Zufrieden verlassen Kamal und ich das Café. Wir müssen nur noch ein paar marokkanische Wandlampen, eine Teemaschine, Löffel, Zucker, Kaffee und Tee besorgen. Dann können wir vielleicht schon bald unser Café eröffnen.
In der Nacht werde ich durch lautes Klopfen an der Tür geweckt. Noch im Halbschlaf stehe ich auf und ziehe mir hastig eine Strickjacke über mein Nachthemd. Ohne die Tür zu öffnen, frage ich: ,, Kamal?“, um sicher zu sein, dass kein Fremder vor der Tür steht. Aber er ist es. ,, Open the door, please “, antwortet er und ich mache die Tür auf. Er steht mit zwei Freunden in abgewetzter Kleidung vor mir. Ihre Gesichter wirken aufgequollen und die Augen sind glasig. Sie sind angetrunken und auch Kamal scheint nicht mehr ganz nüchtern zu sein. Er ist in einem anständigen Elternhaus aufgewachsen, ich verstehe nicht, woher sein Hang kommt, sich mit Verlierern der Gesellschaft zu umgeben. Wahrscheinlich liegt es an seiner Trunksucht, dass er dann die Gesellschaft Gleichgesinnter sucht. Kamal möchte sich mit ihnen in den Garten setzen. Ich bemerke die Plastiktüten, die sie bei sich tragen und ich weiß, dass sich darin Weinflaschen befinden.,, Please, honey,“ bettelt er. Ich bin zu erschöpft, um Widerstand zu leisten und setze mich für eine Weile zu ihnen. Kamal versucht ab und zu mit mir zu reden, aber ich möchte nur ein stiller Beobachter sein. Alle reden und gestikulieren laut durcheinander und die Weinflaschen sind
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