Iacobus
hinauswollt, Sire Galcerán, allein Ihr irrt Euch! Es handelt sich nicht um den nächsten Pontifex oder einen der nächsten fünfzig … Es geht um uns, Bruder, um unser armseliges, Gott und der Kirche geweihtes Leben! Die Frage lautet: Werden die Templer es wagen, uns zu töten, wenn wir ihnen die Bestätigung des neuen Ordens verweigern? Vielleicht ja nicht, vielleicht sind die Gerüchte über den Orden auch übertrieben … Erinnert Ihr Euch an den Fluch Jacques de Molays? Habt Ihr davon reden gehört?«
Wie die Legende berichtet, die in der ganzen Welt von Mund zu Mund ging, hatten sich bei der Hinrichtung plötzlich durch einen Windstoß die Flammen des Scheiterhaufens geteilt, auf dem Jacques de Molay, der letzte Großmeister der Templer, lebendig verbrannte, so daß der Angeklagte kurz zu sehen war. Und genau in diesem Augenblick schrie der Großmeister mit voller Lunge folgendes zum Palastfenster hinauf, von dem aus der König, der Papst und der königliche Siegelbewahrer das Geschehen beobachteten:
» Nekan , Adonai! … Chol-Begoal ! Papst Clemens … Ritter Guillaume de Nogaret … König Philipp: Ich rufe Euch auf, noch vor Ablauf eines Jahres vor Gottes Thron zu erscheinen, um Eure gerechte Strafe zu empfangen … Verdammt sollt Ihr sein! … Verdammt! … Verdammt seid Ihr bis zur dreizehnten Generation Eures Geschlechts!«
Eine bedrohliche Stille setzte seinen Worten ein Ende, noch bevor sich seine Erscheinung für immer in den Flammen verlor. Das Furchtbare daran war, daß tatsächlich alle drei vor Ablauf dieser Frist starben.
»Vielleicht sind die Gerüchte, die darüber in Umlauf sind, ja nichts anderes als Hirngespinste, Geschwätz des Pöbels oder durch den Templerorden selbst verbreitete Lügen, um sein Ansehen als bewaffnete, geheime und einflußreiche Macht, der niemand entkommen kann, noch zu erhöhen. Was meint Ihr, Bruder?«
»Das ist gut möglich, Eure Heiligkeit!«
»Ja, es ist möglich … Doch uns behagen diese Unwägbarkeiten ganz und gar nicht, und wir wünschen, daß Ihr die Wahrheit herausfindet. Dies ist die Mission, mit der wir Euch betrauen: Wir wollen Beweise, Bruder Galcerán, Beweise, die untrüglich belegen, daß der Tod von König Philipp, seinem Vertrauten de Nogaret und Papst Clemens V. Gottes Wille war oder eben im Gegenteil dem Willen jenes unseligen Jacques de Molay gehorchten. Euer Stand als Medikus und Eure wohlbekannte Hartnäckigkeit sind für diese Aufgabe von unschätzbarem Wert. Stellt Eure Begabung in den Dienst der Heiligen Kirche und bringt uns die Beweise, die wir fordern. Falls die Todesfälle Wille unseres Herrn waren, können wir Don Dinis' Ansinnen ruhigen Gewissens ablehnen, ohne Angst haben zu müssen, selbst ermordet zu werden; falls sie allerdings das Werk der Templer waren … dann ist das Leben der ganzen Christenheit bedroht vom mörderischen Schwert einiger Verbrecher, die sich Mönche nennen.«
»Das ist eine unheimlich schwierige Aufgabe, Eure Heiligkeit«, protestierte ich; ich spürte, wie mir der Schweiß über den Körper strömte und das Haar an meinem Hals klebte. »Ich glaube nicht, daß ich sie bewältigen kann. Was Ihr von mir verlangt, vermag ich unmöglich herauszufinden, vor allem, wenn es tatsächlich die Templer waren, die sie umbrachten.«
»Dies ist ein Befehl, Bruder Galcerán de Born«, flüsterte mir da der Großkomtur von Frankreich sanft, doch mit Bestimmtheit ins Ohr.
»So ist es, Ritter Galcerán, beginnt so bald wie möglich! Wir verfügen über nicht viel Zeit; denkt daran, daß der Templer in der Zitadelle wartet.«
Ohnmächtig schüttelte ich den Kopf. Die Mission war in jeder Hinsicht unmöglich zu erfüllen, jedoch befand ich mich in einer ausweglosen Lage: Ich hatte einen Befehl erhalten, dem ich mich unter keinen Umständen widersetzen konnte, weshalb ich also meinen Unwillen beschwichtigen und mich den Anordnungen fügen mußte.
»Ich werde einige Dinge benötigen, Eure Heiligkeit: Erzählungen, Chroniken, medizinische Gutachten, die kirchlichen Dokumente bezüglich des Todes von Papst Clemens … und auch die Genehmigung, bestimmte Zeugen befragen zu dürfen, Archive zu konsultieren, um …«
»Für all dies ist bereits gesorgt, Bruder.« Johannes XXII. hatte die nervenaufreibende Angewohnheit, andere nicht ausreden zu lassen. »Hier habt Ihr die Berichte, Geld und alles, was sonst vonnöten sein wird.« Und er überreichte mir ein ledernes chartapacium , das er aus einer Truhe unter dem
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