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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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der Seligen und den Evangelisten, eine Figur des Erlösers von geradezu ungeheuerlichen Ausmaßen. Gestützt wurde dieses wunderbare Bogenfeld von einem Trumeaupfeiler, auf dem ich fast augenblicklich das Symbol entdeckte, das mein Schicksal während der letzten langen Monate gelenkt hatte … Dort, auf einer hellen, fein ziselierten Marmorsäule, welche die Wurzel Jesse darstellte, saß der Apostel Jakobus und stützte seine Hände auf einen Pilgerstab in Form eines Tau!
    Schwindel überkam mich, ich war zu benommen und zu müde, um jene Zeichen verstehen zu können, die vom Pórtico herab mit ausgeklügelter Grausamkeit auf mich einstürmten. Ich weigerte mich schlichtweg, die fünf Finger meiner rechten Hand auf Jesses Wurzel zu legen, wie dies alle Pilger taten, und ebensowenig wollte ich meine Stirn an der grotesken steinernen Figur reiben, die mit dem Rücken zum Pórtico unerschütterlich ins Innere des Gotteshauses blickte. Ich fragte mich gerade, wer jenen Kobold darstellen sollte, als ich einige aragonesische Pilger erklären hörte, daß es sich bei der gedrungenen Figur um einen gewissen Meister Matheus handelte, den Bauherrn des Portals. Was für ein Einfall, dachte ich halb vergnügt und halb verwirrt, die Pilger vollführten also an einem unbestreitbar initiierten Baumeister unwissentlich die Geste der Übertragung des Wissens. Ich schloß die Augen und ließ mich von der Menge weitertreiben. Im Innern des Gotteshauses, das vor Lichtern und dem Glanz von Gold und Edelsteinen nur so schimmerte, sah ich vor Rührung weinende, kniende, in sich versunkene, geistesabwesende Pilger, Leute, die vor Staunen nicht mehr den Mund zubekamen angesichts der unermeßlichen Schätze, die sie umgaben. Menschen, Menschen, Menschen … Überall nur Menschen, die aus der ganzen Welt hierhergekommen waren. Und der scheußliche Gestank, den sie verströmten, mischte sich mit einem durchdringenden Geruch nach Weihrauch, der sich seinerseits wiederum mit dem Duft nach Räucherwerk und den Aromen von Tausenden von Blumen auf den Altären der vielen Kapellen vermengte.
    Ich weiß nicht genau, wie ich zum Hochaltar des Gotteshauses gelangte, unter dem sich in einem Marmorgrab die angeblichen Reliquien des seligen Apostels Jakobus befanden. Der Altar war sehr groß: Er maß ›in der Höhe fünf, in der Länge zwölf und in der Breite sieben Hände‹, wie dies auch schon unser Pilgerführer Aimeric vermerkt hatte. An seiner Vorderseite war eine wunderbar aus Gold und Silber gearbeitete Tafel angebracht, auf der man die vierundzwanzig Ältesten der Apokalypse bewundern konnte, eine Christusfigur sowie die Skulpturen der zwölf Apostel. Dieser Altar, unter dem, wie ich schon sagte, die Gebeine des Apostels ruhten, war von einem quadratischen Ziborium überdacht, das auf vier Säulen ruhte und innen und außen mit wundervollen Zeichnungen und verschiedenen Figuren geschmückt war. Welch besseren Ort konnte ich finden, um die Botschaft zu lesen, die Niemand in mein Unterkleid gesteckt hatte? Selbst wenn ich ein rotes Tuch geschwenkt hätte, bis meine Arme müde geworden wären, so hätte mir dort doch niemand auch nur die geringste Aufmerksamkeit geschenkt. Vielen Dank für Deinen Beistand, ehrwürdiger Priscillianus, dachte ich, während ich sein Grab betrachtete. Möge dir auch weiterhin durch die Jahrhunderte hindurch die Verehrung der ganzen Welt zuteil werden, wenn auch unter einem falschen Namen.
    Wenn ich, wie es schien, zu verhandeln bereit wäre, lautete die Nachricht, so würde mich Manrique de Mendoza in einer Woche am Ende der Welt erwarten … Ich erstarrte. Mir blieb nur noch eine Woche, um unter mein bisheriges Leben einen Schlußstrich zu ziehen und mit Sara und Jonas bis nach Finisterre zu gelangen! Ich merkte, wie ich eine Gänsehaut bekam (wie auch immer dann, wenn Sara an meinem Ohr knabberte) und kalter Schweiß über meinen Rücken lief. Denk nach, Galcerán, denk nach! wiederholte ich mir unaufhörlich, während ich durch die verstopftesten und lautesten Gassen, die ich finden konnte, zum Palacio de Ramirans zurückrannte.
    Ich lief in die Stallungen, verkleidete mich erneut als zahnloser Kutscher und warf den Pferden einen Haufen Grünfutter hin. Dann setzte ich mich auf meinen Strohsack in der Sattelkammer und schloß die Augen, um mich auf mein Problem zu konzentrieren, entschlossen, mich nicht von dort wegzubewegen, bis ich die Lösung gefunden hatte. Indessen konnte ich nicht allzu lange so verharren,

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