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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Portal trommelte. Es herrschte eine so durchdringende Kälte, daß Atemwolken aus meiner Nase und meinem Mund aufstiegen. Etliche Zeit verstrich, während der ich beharrlich weiterklopfte, bis schließlich das Gesicht eines verschlafenen Jungen aus der Luke herausschaute.
    »Pax Vobiscum .«
    »Et cum spiritu tuo .«
    »Was sucht Ihr zu dieser Stunde im Haus Gottes?«
    »Ich wollte Euch ein Schreiben für Don Berenguel de Landoira überreichen.«
    »Der Erzbischof schläft, Señor. Kommt morgen wieder.«
    Ich wurde ungeduldig. Mir war kalt, und es hatte zu nieseln begonnen.
    »Ich möchte den Brief Don Berenguel de Landoira nicht persönlich überreichen, mein Junge! Ich möchte den Brief für ihn nur abgeben!«
    »Ach so, Señor, verzeiht«, murmelte er bekümmert. »Ich hatte Euch mißverstanden. Gebt ihn mir, Señor, ich werde ihn ihm gleich morgen früh aushändigen.«
    »Hör zu, mein Junge, dieses Schreiben ist von höchster Wichtigkeit und sollte vom Erzbischof unverzüglich gelesen werden. Da ich möchte, daß du dich beim Aufwachen sehr genau an diese Nachricht erinnerst und dich nicht aufhältst, diesen Auftrag auszuführen, nimm das hier«, sagte ich und streckte ihm den Briefbogen zusammen mit einer Goldmünze entgegen, »hier hast du ein gutes Trinkgeld dafür.«
    »Danke, Señor. Seid unbesorgt.«
    Ich kehrte zum Palacio de Ramirans zurück und schlief wie ein Stein bis zum nächsten Tag.
    Ich hatte beschlossen, mit dem Teufel einen Pakt zu schließen. Nie war ich ein tüchtiger Geschäftsmann gewesen, aber nun hatte ich etwas zu verkaufen, und ich wußte, daß der Teufel jeden Preis bezahlen würde, um es zu bekommen. Deshalb wechselte ich am folgenden Abend in der Dämmerung wiederum meine Kleidung und veränderte mein Aussehen und verließ dann den Palast hinter Sara und Jonas, die in Begleitung der beiden Hospitaliter zur Kathedrale gingen, um das Grab des Apostels aufzusuchen.
    Ich tauchte in den morastigen Gassen von Compostela unter, die von einer bunten Menschenmenge nur so wimmelten, und nachdem ich eine Weile herumgeschlendert war und die Waren betrachtet hatte, die man in den schäbigen Läden unter den Arkaden feilbot, kaufte ich mir ein Stück Honigkuchen und lenkte meine Schritte zur Kathedrale. Ich wußte nicht, wer sich mir inmitten dieses Gewühls nähern würde, doch wer auch immer es sein mochte, er mußte einen Pilgerstab mit weißen Bändern bei sich tragen. Eine Schnapsidee, ja, ich gebe es zu, aber ich hatte Lust gehabt, dem armen Boten einen Streich zu spielen. Gleichgültig spazierte ich zwischen den Massen zerlumpter Pilger herum, die die Stadt an jenem Tag erreicht hatten, wohlwissend, daß Hunderte von Templeraugen von unterschiedlichen Stellen jenes Vorplatzes aus auf mich gerichtet waren, und aß derweil gelassen meinen Honigkuchen auf. Ich hatte jenen Ort gerade wegen dieses Getümmels gewählt. Andernfalls wäre ich mir meines Lebens nicht mehr sicher gewesen. In dem Gewimmel würden sie es nicht wagen, mir etwas anzutun.
    Plötzlich verspürte ich einen heftigen Stoß in die Rippen und bevor ich noch Zeit hatte, mich umzuwenden, ließ eine Hand heimlich etwas in die Tasche meines Gewands gleiten.
    »Verzeiht, Bruder!« rief ein schmutziger Pilger fröhlich aus. Sein Mund lächelte boshaft, während er vor mir einen hohen Pilgerstab mit weißen Bändern schwenkte. Doch weder der breitkrempige Pilgerhut, noch seine Kleidung oder der lange und schmuddelige Bart konnten mich irreführen: Jener Mann, der sich nun mit leichtfüßigem Schritt wieder entfernte, war zweifellos Rodrigo Jiménez, uns besser bekannt unter dem Namen Niemand. Ich biß die Zähne zusammen und meine Augen folgten ihm, blitzend vor Feindseligkeit, bis er sich in der Menschenmenge verlor.
    Ehrlich gesagt stand ich kurz davor, es zu bereuen, indes gibt es im Leben Augenblicke, in denen du beim Versuch zurückzuweichen, nur noch den Boden unter den Füßen verlierst und geräuschvoll hinfällst, weshalb ich mich ungeachtet meiner unbändigen Verzweiflung entschied, trotz allem weiterzumachen. Ich schloß mich dem Getümmel an, das versuchte, das Gotteshaus durch das Westportal, den sogenannten Pórtico de la Gloria, zu betreten. Von der Menschenflut blindlings vorwärts geschoben, stand ich plötzlich vor einem beeindruckenden Wunder aus in Stein gehauener Schönheit: Im riesigen Tympanon über dem Mittelportal zum Hauptschiff der Kathedrale thronte, umgeben von den Ältesten der Apokalypse, den Gestalten

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