Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
schlug mit der Faust so heftig gegen die Wand, dass der Putz abbröckelte und seine Fingerknöchel bluteten. In diesem Augenblick sprang die Tür auf und Jana stand vor ihm. Sie starrte Nils entsetzt an. Dann entdeckte sie das Trümmerfeld, das vor einer Stunde noch eine herzeigbare Wohnung gewesen war.
„Ich ruf einen Arzt!“, sagte sie knapp und zückte das Handy.
„Nicht!“, rief Nils, war mit einem Satz bei ihr und grapschte nach dem Telefon. Sie schloss ihre Finger fest darum, hatte jedoch keine Chance gegen seine Entschlossenheit.
„Du hast einen Nervenzusammenbruch – du brauchst Hilfe“, behauptete Jana.
„Mir geht es gut, ich brauche keine Hilfe“, zischte Nils.
„Und was ist
das da
?“, fragte sie und zeigte auf das Chaos.
„Ich wollte aufräumen“, log Nils.
„Nackt?“ Sie zog kritisch die Augenbrauen hoch.
„Mir war warm“, erklärte er.
„
Wem
willst du was vormachen, Nils. Hah?“, fauchte sie ihn an. Dann besann sie sich, dass dies vielleicht nicht die richtige Herangehensweise war. Sie näherte sich ihrem Bruder vorsichtig, als wäre er ein gefährliches Tier und summte beruhigend. „Nils, gib mir das Telefon.“ Sie streckte die flache Hand aus, als erwarte sie, dass er das Handy einfach so darauf legte.
„Nein!“ Nils schüttelte den Kopf und machte einige Schritte rückwärts, wobei er auf ein Plastikteil stieg, gefährlich ins Schlittern kam und beinahe hinfiel. Er konnte sich im letzten Moment fangen.
„Gib. Mir. Das. Handy!“, forderte Jana eindringlich.
„Nein. Nein. Nein. Nein!“, antwortete Nils, öffnete die Tür zum Klo und warf es in die Schüssel.
„HAST DU EINEN KNALL?“, kreischte Jana.
Nils drückte die Spülung, sah zu, wie das Telefon in den Fluten verschwand und winkte ihm hinterher.
„Jap!“, murmelte Nils gutgelaunt, drehte sich um und marschierte seelenruhig ins Schlafzimmer.
Kick Ass!
… erschossen …
„Scheiße, Mo, was ist
das
?“, kreischte Judith, als sie in die Küche kam. Sie prallte zurück und hopste Stefan, der hinter ihr den Raum betreten wollte, auf die Zehen. Er jaulte auf.
„Na, wonach sieht's denn aus?“, brummte Mo mit eisiger Stimme. Stefan schob Judith beiseite und starrte auf den Esstisch.
„Geiler Scheiß – das ist eine Walther PPK, oder?“, rief er begeistert aus und grapschte nach der Waffe, wog sie in den Händen.
„Lass sie los! Aber sofort!“, schrie Judith, ganz so, als hätte sich ihr Hund in eine tote Taube verbissen. So, wie Stefan die Waffe anfasste und überprüfte, hatte er nicht das erste Mal eine in der Hand.
„Was regst du dich so auf, Judith?“, murmelte Mo monoton, „Du knallst jeden Tag hunderte Leute ab.“
„
Pixel!
Ich klicke mit einer Maus und Tasten einer Tastatur auf
Pixel,
die daraufhin ihre Farbe verändern. Das ist etwas
ganz
anderes, als eine echte Waffe zu benutzen!“, erklärte Judith aufgebracht.
„Wo hast du das Teil her?“, fragte Stefan, Feuer und Flamme.
„Von meinem Stalker!“, brummte Mo und stierte leer vor sich hin.
„Was?“, quietschte Judith.
„Von dem Typ, der Ian Yery erfunden hat?
Dem
hast du das Ding abgenommen?“, fragte Stefan. „Geile Sache!“ Er setzte sich zu Mo, funkelte ihn begeistert an und fragte ehrfürchtig: „Hast du ihn erschossen?“ Mo bedachte seinen Mitbewohner mit einem mitleidigen Blick.
„Ja, verdammt, ich
habe
ihn erschossen“, raunte Mo genervt, erhob sich mit einem schweren Seufzen und stapfte in sein Zimmer. Mit lautem Krachen schlug er die Tür zu. Stefan und Judith sahen ihm schweigend nach, dann einander an.
„Denkst du, er hat
wirklich
jemanden umgebracht?“, fragte Stefan und konnte die Begeisterung kaum in Zaum halten.
„Nie im Leben“, murmelte Judith.
„Aber falls
doch.
“ Stefan richtete die Waffe auf die Kaffeemaschine. „Dann sollten wir die Polizei informieren.“
„Richtig!“, ätzte Judith. „Und auf der Tatwaffe sind überall deine Fingerabdrücke, du Hirni!“
„Au, Scheiße!“, fluchte Stefan und wischte die Pistole mit den Ärmeln seines Pullovers ab, wie er das oft in Filmen beobachtet hatte.
… verprügelt …
„Kommst du mit?“, fragte Judith.
Seit Mo so aufgelöst mit der Waffe in der Küche gesessen hatte, waren zwei Wochen vergangen. An diesem Tag und in der Woche darauf hatte sie sich nicht getraut, ihren Mitbewohner auf den Selbstverteidigungskurs anzusprechen. Mo war seit diesem Tag so schweigsam und in sich gekehrt, wie sie ihn bisher noch nie erlebt
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