Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
„Was ist verdammt nochmal los mit dir?“, keifte sie ihn ungehalten an und rüttelte so grob an ihm, dass das ganze Bett wackelte. Nils rollte sich zur Embryonalstellung zusammen und ließ es über sich ergehen ohne einen Ton von sich zu geben. „Hat es mit Moritz zu tun?“ fragte sie harsch und da ihr Bruder nicht antwortete, seufzte sie geräuschvoll und schnaubte: „Und? Was hat er
gemacht
? Hat er dich schief
angeschaut
?“
„Lass mich!“, raunte Nils, „Geh weg!“ Jana erhob sich mit einem ungehaltenen Grunzen und einige Minuten später fiel die Tür ins Schloss.
Nils wartete einige Minuten, dann rollte er sich herum und streckte den Arm aus, tastete unter dem Bett herum. Verflucht, wo war sie denn? War das Scheißding etwa ganz nach hinten gerutscht? Nils ließ sich so hart auf den Boden plumpsen, dass es wehtat. Er legte seine Wange auf den Boden und sah unter dem Bett nach. Jede Menge Staubflusen, einige Socken nach denen er schon länger gesucht hatte, aber keine Waffe. Sie war weg! Nils schoss hoch und überlegte krampfhaft, ob er sie woanders versteckt hatte. Aus Angst vor dem Irren hatte er sie unter seinem Kopfpolster verstecken wollen. Da er aber befürchtet hatte, dass sie durch seine nächtlichen Bewegungen losgehen könnte, hatte er sie griffbereit unters Bett gelegt. Verdammt! Das kam jetzt wirklich ungelegen.
Er war ein naiver, blöder, lebensunfähiger Idiot. Er hatte es nicht verdient zu leben, zudem war es ohnehin Scheiße, das Leben. Er glaubte nicht, dass er je wieder auch nur annähernd etwas so Schönes erleben würde, wie in der vergangenen Nacht.
Das
war der Höhepunkt seines Lebens gewesen, ab jetzt ging es nur noch steil bergab. Er konnte sich für ein jahrzehntelanges Martyrium entscheiden, oder die Sache
jetzt
beenden. In Zukunft würde die Einsamkeit noch viel mehr wehtun – jetzt, wo wusste, wie sich Zweisamkeit anfühlte. Bis gestern hatte er nur geahnt was ihm fehlte, und selbst das war schon schlimm genug gewesen. Jetzt aber
wusste
er es. Wie sollte er das den Rest seines Lebens aushalten? Dreißig, vierzig Jahre … bis zum Tod. Es hatte ohnehin nie viel in seinem Leben gegeben, das ihm etwas bedeutet hatte, aber nun … Da gab es Jana. Sie versuchte es zwar vor ihm zu verbergen, aber er wusste, dass sie ihn hasste weil er sich so an sie klammerte. Sie war ohnehin besser dran, viel besser. Und die Kunst? Was hatte sie ihm schon eingebracht, außer Scherereien? Himmel, sie hatte seine einzige Chance auf Liebe zerstört. Nils würde seinen Computer ohnedies nie wieder anrühren, nie wieder etwas modellieren …
Und Mo? Verdammt! Nils hatte nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, ob es Mo recht sein könnte, dass er ihn als Vorlage benutzte. Er hatte allerdings auch nicht damit gerechnet, ihn jemals wiederzusehen. Nils hatte gedacht, der Mann würde sich geehrt fühlen, dass ein Computerheld nach ihm erschaffen worden war. Wie naiv und blöd war er bloß gewesen! Er hatte das Leben dieses Mannes zerstört. Mo war so … so nett, und … Verdammt! Nils hatte aus einem Pazifisten einen virtuellen Kriegsheld gemacht, der fünfzig Mal am Tag … Nils mochte sich das gar nicht vorstellen … fünfzig Mal … von irgendwelchen Fremden darauf angesprochen wurde. Nein, Nils verdiente sein Leben nicht. Er fügte anderen Menschen nur Schaden zu. Außerdem hatte er ohnedies geplant, sich umzubringen, wenn er mit vierzig noch Jungfrau war. Okay,
das
war er zwar jetzt nicht mehr … aber das hatte alles nur noch Schlimmer gemacht. Alle Wünsche und Träume seines Lebens hatte er auf das
'Was wäre wenn'
-Spiel gesetzt – geglaubt, wenn die Liebe erst einmal in sein Leben käme, wäre alles gut, alles perfekt. Nun,
das
sah er ja nun,
wie
perfekt das war. Was hatte es also noch für einen Sinn, weiterzumachen?
Wie ein Besessener tobte Nils durch die Wohnung und suchte die Waffe. Er ging all seine üblichen Verstecke durch, alle Schubladen, räumte sämtliche Schränke aus. Er achtete nicht auf Ordnung, nicht darauf, ob Dinge kaputtgingen. Er steigerte sich immer mehr hinein, schleuderte die Sachen bald unnötig weit durch die Wohnung. Wen kümmerte schon, was mit dem Krempel passierte? Er hatte es bald hinter sich. Wenn er nur endlich die Scheiß Pistole finden würde. Innerhalb einer Stunde sah es in seiner Wohnung so aus, als hätte sie eine absolut gründliche Hausdurchsuchung durch ein Einsatzkommando hinter sich.
Seine Waffe war weg!
„Scheiße!“, tobte er und
Weitere Kostenlose Bücher