Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
Fenster. Wieder begann der Arzt schallend zu lachen.
„Haben Sie nicht eben behauptet, mit Irren können Sie gut?“, kicherte der Psychiater.
„Es ist nur …“, begann Nils und blickte auf seine Finger.
„Ich höre?“
„Das ist … das ist wie mit Delphinen und Haien“, erklärte Nils, „Hier drin sind Delphine. Alle haben sich darauf geeinigt, nett zueinander zu sein – aber da draußen …“, Nils zeigte wieder zum Fenster. „… da sind die Haie. Ich bin hier nicht auf Haie sondern auf Delphine vorbereitet worden.“
Der Arzt legte den Kopf schief und ließ den Blick durch den Raum wandern. Nils' Aufmerksamkeit verlor sich wieder kurz in diesem … Haar.
„Dieser Jan“, begann Nils seine These zu untermauern und dabei auf einen Mitpatienten anzuspielen. „Jedes Mal, wenn er Besuch erhalten hat geht es ihm danach schlecht, dabei ist er sonst ein fröhlicher …“
„Und Sie haben
nie
Besuch erhalten. In allen sechs Wochen nicht
ein
Mal. Ist
das
Ihr Konzept?“, fragte der Arzt. Volltreffer. Mitten in die Magengrube. „Passen Sie mal auf, Nils: Sie haben es geschafft,
hier
Kontakte zu knüpfen und Sie werden das auch da draußen schaffen. Geben Sie den Menschen eine Chance. Das da draußen – um auf Ihre Metapher zurückzukommen – ist ein gemischtes Becken. Suchen Sie sich andere Delphine. Außerdem … wussten Sie, dass Delphine Haien ziemlich unangenehm werden können? Sie können Haie sogar töten, indem sie mit der Schnauze in deren Kiemen rammen und sie haben scharfe Zähne. Nils, Sie sind stärker als Sie glauben.“
„Aber ich habe …“ Nils stockte.
„Ja, Nils, Sie haben Scheiße gebaut. Ich hab auch Scheiße gebaut. Wir alle bauen Scheiße. Aber das Leben geht weiter. Die Suppe müssen wir freilich selbst auslöffeln.“
„Ich kann das aber nicht wieder gut machen“, murmelte Nils.
„Reden Sie keinen Unsinn. Klaus – Sie wissen schon, der seine Schwester im Suff unter dem Bett erdrückt hat –
der
kann das nicht mehr gut machen.
Sie
haben niemanden umgebracht, Nils, und obendrein noch Riesenglück, dass dieser Mann Sie nicht verklagt. Er hätte gute Chancen und das käme so
richtig
schön teuer.“
„Was nicht ist, kann ja noch werden“, knurrte Nils. „Außerdem …“
„Ich erzähle Ihnen jetzt eine Geschichte, und ich schicke voraus – es handelte sich um keine Patientin. Auf einer Zugfahrt lernte sie einen jungen Mann kennen mit dem sie sich prächtig unterhielt. Nach der gemeinsamen Fahrt trennten sie sich, ohne voneinander die Namen zu kennen oder zu wissen, woher sie kamen. Nach einer Weile merkte die Frau, dass ihr der junge Mann nicht mehr aus dem Kopf ging, weil sie sich in ihn verliebt hatte. Alle Versuche, ihn Ausfindig zu machen, schlugen fehl – sie hatte keine Anhaltspunkte – also ließ sie von einem Phantomzeichner ein Portrait von ihm anfertigen und in allen Zeitungen auf Seite Drei abdrucken, mit dem Vermerk:
'Hinweis unter dieser Nummer'
. Die meisten Menschen dachten, das wäre ein gesuchter Verbrecher, weswegen dieser junge Mann es eine Zeitlang nicht sehr leicht hatte.“
„Und warum erzählen Sie mir das?“, brummte Nils.
„Weil ich glaube, dass Sie dasselbe gemacht haben wie diese Frau. Anders, auf
Ihre
Art, aber ich bin überzeugt, Sie haben versucht diesen Mann so zu finden“, erklärte der Psychiater.
„Ich hab nicht …“
„Vielleicht haben Sie es nicht
bewusst
getan.“ Der Arzt grinste breit. „Und immerhin: Es hat doch funktioniert, oder? Sie
haben
ihn gefunden.“
„
Toll!
“, rief Nils zynisch aus und rollte mit den Augen.
„Mein Tipp, Nils, suchen Sie eine Aussprache, geben Sie der Liebe eine Chance.“
„Liebe?“, fragte Nils heiser und starrte den Arzt an. „Der Typ
hasst
mich.“ Er schlug einen jammernden Tonfall an: „Für den bin ich ein
Freak!
“ Der Arzt wackelte seltsam mit dem Kopf – wie Nils es bisher immer in Parodien über Inder gesehen hatte.
„
Ich
bin ein Freak“, erklärte der Psychiater zu Nils' Verblüffung. „Sehen Sie mich an – ich sehe aus wie ein HipHop-Troll und bin auch noch Irrenarzt. Aber selbst
wenn
Sie ein Freak
wären
: Damit lässt es sich gut leben. Es gibt Frauen die verrückt nach mir sind. Viele Menschen
lieben
Freaks. Wenn dieser Mann Sie
wirklich
hasst, bedeuten Sie ihm etwas. Das ist eine Chance.“ Nils glubschte den Arzt an.
„Es soll eine
Chance
sein, dass er mich
hasst
?“, fragte er ungläubig. Der Typ war scheinbar
wirklich
ein
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