iBoy
gemacht?
»Ich glaube, du bringst deine Freundin jetzt lieber nach Hause«, sagt er zu ihr. »Sie ist ziemlich durcheinander.«
»Ja … ja, natürlich«, sagt das erste Mädchen, geht zu ihrer Freundin und legt ihr den Arm um die Schultern. Sie murmelt ein paar beruhigende Worte und wischt ihr die Tränen aus dem Gesicht, dann dreht sie sich wieder zu iBoy um. »Danke«, sagt sie lächelnd. »Wer immer du bist … vielen Dank.«
Er lächelt zurück.
Sie nickt, dreht sich um und die zwei gehen nach Hause.
iBoy schaut ihnen kurz hinterher, um sicher zu sein, dass mit ihnen alles okay ist, dann dreht er sich wieder zu den zwei Jungs am Lieferwagen um. Sie haben sich nicht gerührt.
»Wartet ihr auf was?«, fragt er sie.
Sie schütteln den Kopf.
»Dann verpisst euch.« Sie rennen los.
iBoy geht um den Lieferwagen herum. Die Fahrertür steht offen, aber niemand sitzt drinnen. Wer immer gefahren ist, er muss irgendwann weggelaufen sein. iBoy beugt sich hinein, zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss und lässt ihn fallen. Er legt den Finger an die Zündung, gibt ihr einen schnellen Stromstoß. Das Armaturenbrett glüht, der Motor heult auf, dann knistert es und unter der Motorhaube springen Funken. Nach wenigen Sekunden steigt Rauch aus dem Motor und zuckende blaue Flammen lodern auf.
iBoy schließt die Fahrertür des Lieferwagens, spuckt auf den Boden und geht.
Er schaut nicht zurück.
|182| 10010
»SUPERHELD« IN DER CROW LANE
Die örtliche Polizei äußert sich besorgt über einen sogenannten »Superhelden«, der Berichten zufolge in der Crow-Lane-Siedlung gegen Verbrechen kämpft. Zeugen beschreiben Vorfälle, bei denen in der berüchtigten Hochhaussiedlung eine geheimnisvolle Gestalt das Gesetz in die eigene Hand nahm. Eine Bewohnerin, die ungenannt bleiben will, berichtete der
Southwark Gazette
, wie sie kürzlich von »einem maskierten Mann in einem Kapuzenkostüm« vor einem Überfall beschützt wurde. »Er tauchte wie aus dem Nichts auf«, sagte sie. »Es gab einen blauen, hellen Blitz, der mich kurz blendete, und als Nächstes sah ich, wie die Straßenräuber wegliefen.« Auf Anfrage, ob die Polizei die Taten des »Superhelden« billige, sagte ein Sprecher: »Auch wenn die Absichten der Person gut sein mögen, so ist doch ihre Vorgehensweise falsch. Die Polizei warnt entschieden vor allen Formen von Selbstjustiz, und wir möchten die Person, wer immer sie sein mag, dringend bitten, die Polizei ihre Arbeit machen zu lassen.
http://www.southwarkgazette.co.uk/home/090410/local
|183| Als ich am Montag aufwachte, hatte ich das Gefühl, aus einem sehr langen und äußerst lebhaften Traum hochzukommen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, denn ich wusste, dass die Dinge in meinem Kopf, die mir wie Traumfetzen vorkamen, reale Erinnerungen waren – Erinnerungen an die letzten zehn Tage …
Doch mir war immer noch, als ob ich sie geträumt hätte.
Ich blieb eine Weile liegen und versuchte, nicht drüber nachzudenken, sondern mich ganz normal zu fühlen … aber es ist verdammt schwer, an nichts zu denken, wenn man im Bett liegt und in dem Bewusstsein an die Decke starrt, dass man gerade versucht, an nichts zu denken … Und noch schwerer ist es, sich ganz normal zu fühlen, wenn man eindeutig alles andere als normal
ist
.
Deshalb ließ ich es am Ende sein.
Ich stand auf, ging duschen und zog mich an.
Als ich in die Küche kam, saß Gram am Tisch und hielt etwas in der Hand, das wie ein Kontoauszug aussah.
»Morgen, Gram«, sagte ich und setzte mich. »Wie geht’s dir –?«
»Was soll das, Tommy?«, sagte sie ernst.
»Wie bitte?«
»Das hier«, beharrte sie und wedelte mit dem Kontoauszug in meine Richtung. »Fünfzehntausend Pfund, am 31. März anonym auf mein Konto überwiesen.« Sie starrte mich wütend an. »Weißt du irgendwas darüber?«
»Ich?«, fragte ich und spielte ihr Überraschung und Entrüstung vor, während ich mir gleichzeitig gedanklich in den Hintern trat, dass ich die Geschichte komplett vergessen hatte. »Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest.«
|184| »Ich rede hiervon«, sagte sie, schob mir den Kontoauszug herüber und deutete auf die Einzahlung. »Hier … siehst du? Jemand hat fünfzehntausend Pfund auf mein Konto überwiesen.«
Ich lächelte sie an. »Na, ist doch super.«
Sie schaute wieder wütend. »Nicht, wenn ich keine Ahnung habe, von wem das Geld kommt und wofür es ist.«
Ich zuckte die Schultern. »Ist
Weitere Kostenlose Bücher