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Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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–«
    »Frag, was du willst.«
    »Also gut«, sagte Gram mit einem schwachen Seufzer. »Wenn du darauf bestehst   –«
    »Ich bestehe darauf.«
    »Okay, lass mich kurz nachdenken   …«
    Während sie sich eine Frage überlegte, ging ich in meinen Kopf und öffnete Google. Ich fühlte mich irgendwie schäbig und wünschte mir, ich hätte nie mit dem dämlichen Lügenkram angefangen   … ich wünschte mir, dass ich Gram einfach die Wahrheit sagen könnte. Die ganze Wahrheit. Aber das ging ja wohl schlecht. Wie sollte ich ihr die Wahrheit erzählen? Wie könnte ich ihr erzählen, dass ihr Enkel nicht mehr normal war, sondern außergewöhnliche Kräfte besaß? Und dass er diese Kräfte benutzte, um Leute wie Lucys Vergewaltiger ausfindig zu machen und zu bestrafen – eine ganze Welt von Mistkerlen wie die O’Neil-Brüder, Adebajo oder DeWayne Firman, von Leuten wie Jayden Carroll, Yusef Hashim und Carl Patrick   … Leuten wie Howard Ellman.
    Wie sollte ich das Gram erzählen?
    Und wie sollte ich ihr erzählen, dass ihr Enkel Angst hatte, nicht nur jedes Gefühl von Mitleid zu verlieren, sondern auch den Verstand   …?
    |188| Wie
konnte
ich ihr das erzählen?
    Das ging doch nicht, oder?
    Es ging nicht.
    Und dafür hasste ich mich.
    »Wer war 1956   Premierminister?«
    Ich sah Gram an. »Was?«
    »Du wolltest, dass ich dir eine Frage stelle«, sagte sie. »Aus der Nachkriegsgeschichte.«
    »Ach so, ja   … klar.«
    »Und das hier ist meine Frage – wer war 1956   Premierminister?«
    Ich schaute im Kopf auf die Website über englische Premierminister:
     
    … Eden ersetzte im April 1955 Winston Churchill als Premierminister. Noch im gleichen Jahr nahm er an einer Gipfelkonferenz mit den Regierungschefs der USA, Frankreichs und der Sowjetunion in Genf teil   …
     
    »Sir Anthony Eden«, sagte ich.
    Gram schaute überrascht. »Sehr gut.«
    »Sein Nachfolger wurde am 10.   Januar 1957   Harold Macmillan«, ergänzte ich, »und Eden verfasste in den Jahren darauf seine Memoiren, die in drei Bänden zwischen 1960 und 1965 erschienen. Außerdem schrieb er einen Bericht über seine Kriegserfahrungen, der 1976 unter dem Titel
Another World
veröffentlicht wurde.« Ich lächelte Gram an. »Er starb 1977.«
    Gram schüttelte ungläubig den Kopf. »Da hast du aber wirklich gelernt.«
    »Sag ich doch.«
    |189| »Ich bin beeindruckt.«
    Das solltest du nicht sein
, dachte ich.
    »Tja«, sagte ich und schaute auf die Uhr an der Wand. »Ich mach mich dann wieder auf in die Bücherei, wenn das okay ist.« Ich grinste sie an. »Noch ein bisschen weiterlernen.«
    Sie nickte. »Ich sollte auch besser wieder an meine Arbeit gehen.«
    »Wie läuft’s denn so?«, fragte ich.
    »Nicht schlecht   …« Sie lächelte mich an. »Vielleicht gibt mir der Verlag ja für diesen Roman einen
Bonus

    »Sehr witzig«, sagte ich.
    Sie grinste.
    Ich stand auf. »Dann bis später, okay?«
    »Okay   … aber bleib nicht zu lange. Du siehst wirklich müde aus.«
    »Bin in ein paar Stunden zurück«, antwortete ich auf dem Weg zur Tür. »Versprochen.«
    »Und Tommy?«
    Ich blieb stehen und schaute zu ihr zurück. »Ja?«
    »Tut mir leid   … tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe.«
    »Du musst dich doch nicht entschuldigen, Gram. Ehrlich   … ist schon okay.«
    »Ich weiß, aber es tut mir
wirklich
leid.«
    Ich fühlte mich zu elend, um ihr darauf zu antworten. Was hätte ich denn auch sagen können? Sie entschuldigte sich dafür, dass sie mir nicht vertraut hatte, dabei hatte sie jedes Recht der Welt, mir zu misstrauen. Ich belog sie. Ich missbrauchte ihr Vertrauen. Ich war es, der sich bei
ihr
hätte entschuldigen müssen   …
    In diesem Moment war ich kurz davor, ihr die Wahrheit zu sagen.
    |190| Ich war es so leid, sie anzulügen und ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, dass ich mich so gut wie entschieden hatte: Egal wie schwer es sein würde, ich musste ihr endlich die Wahrheit sagen.
    Doch dann, gerade als sich die Worte in meinem Kopf formten, klingelte es, und bevor ich etwas sagen konnte, war Gram schon aufgestanden, in den Flur gegangen und öffnete die Tür.
    »Oh, Sie sind es«, hörte ich sie sagen. »Was wollen Sie?«
    »Guten Morgen, Ms Harvey«, sagte eine vage vertraute männliche Stimme. »Ist Ihr Enkel zu Hause?«
     
    Ich brauchte einen Moment, bis ich die beiden Mäner wiedererkannte, die Gram in die Küche folgten. Das letzte Mal war ich ihnen im Krankenhaus begegnet, als ich gerade erwacht war

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