iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
eingeschlichen hatten, ohne dass ich ihnen Platz einräumen wollte.
Birte und ich mochten es, von unkomplizierten Menschen umgeben zu sein, die uns gut taten und denen wir etwas bedeuteten. Dabei war die Umschreibung »unkompliziert« nicht gleichbedeutend mit konfliktscheu oder problemlos. Es gab Freunde, zu denen wir so eine Nähe aufgebaut hatten, dass sie mächtig viel Fläche für Reibung bot. Besonders wenn die Meinungen auseinander gingen, durften schon mal behutsam die Fetzen fliegen. Aber ich war müde von sinnlosen Auseinandersetzungen, die zu nichts führten, nur Kraft kosteten und wertvolle Zeit verschwendeten.
Bei meinem Freund spürte ich das Gefühl von Nähe. Ich mochte meine Zeit gerne mit ihm verbringen. Und Missgeschicke, Schwächen und Niederlagen gehörten ebenso zu uns wie das gemeinsame Freuen über Erfolge.
Bevor wir das Café verließen, schaute mich mein Freund an und legte einen Schlüssel auf den Bistrotisch zwischen die leer getrunkenen Tassen. »Hier, unser Wohnungsschlüssel für dich.«
Ich ließ den Schlüssel liegen und wehrte das Angebot ab. »Lass mal gut sein. Wenn die Baustelle wieder mal zu fies wird, dann rufe ich an. Ihr könnt mir doch dann einen Schlüssel geben.«
»Du musst nicht anrufen oder Bescheid sagen. Wann immer du eine Abwechslung oder Ruhe vor dem Baulärm brauchst, kannst du kommen. Fühl dich bei uns wie zuhause.« Dabei schob er mir das Schlüsselbund in meine offene Hand.
Zwei Wochen später hielt ich den Schlüssel wieder in der Hand. Ich hatte mich entschlossen, das Angebot meines Freundes anzunehmen, denn der Baulärm in den eigenen vier Wänden war unerträglich und das Wetter regnerisch. Ich wollte weder ziellos durch die Straßen irren, noch meine Nase an uninteressanten Schaufenstern plattdrücken. Mir stand auch nicht der Sinn danach, mit einer Gruppe Blankeneser Frauen, die ihren Putzfrauen zu Hause nicht zwischen den Beinen stehen wollten, im Café zu sitzen.
Deshalb ging ich zielstrebig zur Wohnung unserer Freunde, die nur einige Minuten Fußweg von unserer entfernt lag. Auf dem Weg schlug mir feiner Nieselregen ins Gesicht. Dunkle Wolken hingen am Himmel und drohten an, sich über mir zu entleeren.
Ich klingelte, obwohl niemand zu Hause sein konnte. Die Bewohner waren ausgeschwärmt. Ihr kleiner Junge verbrachte bis zum frühen Nachmittag den Tag im Kindergarten und seine Eltern arbeiteten im Zentrum Hamburgs. Die wunderschöne Wohnung war die meisten Stunden des Tages verwaist.
Ich schloss auf und ging hinein. Die Regentropfen auf meiner Kleidung liefen an mir herunter und bildeten kleine Pfützen. Ich zog alles tropfend Nasse aus und schlurfte auf Socken durch den Flur. Es lag der Duft aus der Dusche im Raum, nach frisch gewaschenen Körpern, ein wenig Aftershave von ihm und Parfüm von ihr. Das hölzerne Laufrad des Jungens lag am Boden, als wäre das Kind noch im Raum und würde sich hinter der Tür verstecken. Die Szenen ihres Alltags wirkten wie eingefroren. Ich fühlte mich zwar nicht wie in den eigenen vier Wänden, aber auch nicht weit davon entfernt.
Ich ging in die Küche. Auf dem langen weißen Holztisch standen zwei mit Brotkrümeln übersäte Frühstücksteller und eine kleine Schüssel mit den letzten weichen Cornflakes in einer Restpfütze Milch. Es roch nach Kaffee, den ich auch gern getrunken hätte. Aber alleine wollte ich keinen. Ich traute mich nicht, ohne Einweisung einen Knopf an der ultramodernen Kaffeemaschine zu drücken. Ich öffnete den Küchenschrank, wo meiner Erinnerung nach der Tee stehen müsste. Es hatte sich nichts geändert. Dort stand die Teedose aus Metall wie auch die Becher und die Teekanne. Und selbst wenn eine Schublade nicht das Richtige enthielt, hätte ich die nächste ohne schlechtes Gewissen geöffnet. Freunde schnüffelten nicht, wenn sie etwas suchten, dachte ich bei mir.
Ich ging ins Wohnzimmer, nahm die Fernbedienung in die Hand und schaltete den Fernseher an. So unruhig mein Inneres war, so hektisch schaltete ich auch die verschiedenen Sender um. Alle paar Sekunden flackerte ein anderes Bild auf. Mich konnte kein Beitrag dauerhaft einfangen und ich gab das Fernsehgucken wieder auf. So allein in der Wohnung fühlte ich mich verloren, auch wenn mir die Umgebung vertraut war. Ich legte mich auf die Couch zwischen unzählige Kissen und kuschelte mich in die weiche Decke ein. Mein Blick heftete sich an die Wolken des verregneten Himmels. An einem anderen Tag in einer anderen Phase meines
Weitere Kostenlose Bücher