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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Luft für eine Antwort holen konnte. Gestenreich genoss er seine Antworten in unserer Runde. Die Auswanderung von Deutschland nach Belize beschrieb er als kinderleicht und vor allem lohnenswert. Er grinste dabei so verwegen geschäftstüchtig, als stünde ein teurer Sportwagen und nicht sein Schrottauto vor uns.
    »Wie war es denn, sich hier einzuleben?« Dabei drehte Birte sich mit der Frage zu Mandy um.
    Ihr kontaktfreudiger Ehemann beantwortete allerdings die Frage: »Ganz leicht. Jeder spricht englisch, ist ja auch die offizielle Amtssprache. Dadurch lernst du massenhaft Leute kennen. Außerdem leben auch ein paar Deutsche hier.«
    »Kommt ihr mit dem Klima klar?« Diese Frage schien Birte unter den Nägeln zu brennen.
    Ralf lachte sie ein wenig aus: »Wir wohnen hier, wo andere Urlaub machen. Wir leben im Paradies.« Mit der Antwort erhob er sich und verließ die Runde, um auf die Toilette zu gehen.
    Birte sprach Mandy direkt an: »Ich dachte nur. Wir konnten zum Glück die Regenzeiten auf unserer Tour umfahren. Aber ein paar Mal gab uns das Wetter doch eine kleine Kostprobe der regenreichen Zeit mit. Für uns war das zumindest kein Spaß.« Birte schien mit diesem Bekenntnis an Mandys perfekter Oberfläche zu kratzen.
    »Die Regenzeit ist ein totaler Scheiß. Wir sind mit unseren deutschen Möbeln hierher gezogen. Überall hat sich Schimmel abgesetzt, viele Kartons sind verrottet und die Klamotten auch«, gab Mandy ehrlich zu.
    Birte schaute sie mitfühlend an. »Und war es leicht hier Freundschaften zu knüpfen?«
    »Du lernst zwar viele Leute kennen, aber Freunde sind nicht leicht zu finden.«
    Ralf kam vom Klo zurück und seine Frau verstummte, denn verschimmelte Besitztümer und fehlende soziale Kontakte sollten scheinbar kein Thema sein. Stattdessen erzählte er ausschweifend von einem Freund, der zu einer der einflussreichsten Familien im Ort gehörte. »Mit Geld und geschäftlichen Kontakten ohne Ende«, schwärmte er uns vor. Ralf wollte demnächst, wie auch sein Freund, Mitglied im Rotary Club werden.
    Ich musste im Stillen schmunzeln. Da waren sie wieder, die fremden Federn, mit denen er sich schon den ganzen Abend schmückte. Er steckte sich mit jeder Geschichte von anderen eine zusätzliche Feder ins Haar, direkt neben seine Sonnenbrille. Ich sah ihn trotzdem bildlich nicht wie einen mächtigen Mayakönig mit Kopfschmuck vor mir. Mandy hatte uns gerade erzählt, dass es nicht leicht war, Freundschaften zu knüpfen, während er genau das Gegenteil vermittelte.
    Ich konnte mir kein Bild von ihnen machen. Mandy nahm ich gar nicht wahr. Ralf war nicht zu greifen. Er offenbarte nichts von sich und war so glitschig wie ein Aal. Es kam auch kein Wort über Bücher, Musik oder Filme über seine Lippen. Ich erfuhr nichts über Interessen oder Hobbys, die ihn fesselten. Selbst die ewige Leier über Lieblingsautos oder technisches Spielzeug hätte ich als interessante Offenbarung gefeiert. Er erzählte keine persönlichen Erlebnissen, sondern nur Sensationsgeschichten anderer. Aktuelle Schlagzeilen aus der Heimat, Gerüchte, Klatsch und Tratsch waren auch kein Gesprächsthema für ihn. Nur bei der Beschreibung giftiger Schlangen, Kröten und Krankheiten strotzte er wie ein Expeditionsteilnehmer mit Fakten. Seine reißerischen Schilderungen mochten seine zuhause sitzenden Freunde und Verwandten beeindrucken, mich aber nicht.
    Ich unterbrach seine haarsträubenden Geschichten. »Kennt ihr die Mayastätte Caracol im Dschungel?«
    Mandy schüttelte den Kopf, im Gegensatz zu Ralf: »Na klar kenne ich die. Es ist die Hauptattraktion des Landes. Das ist ja eines meiner Geschäftsideen. Die Piste zur Ausgrabungsstätte ist »very rough«. Deshalb bieten wir Motorradtouren an, mit Begleitung, aber auch ohne.«
    Ich musste schon wieder grinsen. Er streute gern Anglizismen in seine Sätze. Die englische Amtssprache war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, obwohl seine Frau täglich in der deutschen Muttersprache mit ihm redete. Aber sie schien ja sowieso nie zu Wort zu kommen.
    »Können wir morgen zwei Motorräder bei dir ausleihen? Wir würden gern selbst ohne Führer nach Caracol fahren.«
    Nun fühlte Ralf sich als wahrer Geschäftsmann anerkannt und redete ohne Punkt und Komma den ganzen Abend weiter.
     
    Am nächsten Morgen standen wir früh vor der genannten Adresse im Ortszentrum. Zum einen war der Weg zur Ausgrabungsstätte weit und zum anderen wollten wir den Tag mit unseren Mietmotorrädern ausnutzen.

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