iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
Lebens hätte ich die freie Zeit genossen. Ich wäre Lebensmittel einkaufen gegangen, hätte gekocht und bis zu ihrer Rückkehr meiner Freunde gewartet. Gerade schaffte ich es nicht, alleine mit mir und der Ruhe zu sein. Ich wusste, dass die Stille und Einsamkeit irgendwann wieder zu meinen besten Begleitern gehören würden. Noch konnte ich sie allerdings nicht ertragen.
Ich schälte mich aus der wärmenden Decke, schlenderte eine lange Zeit durch die Räume, guckte mir das Spielzeug des Sohns und die Fotos an den Wänden an, nahm Bücher in die Hand und blätterte unmotiviert darin herum. Ich wollte meinen Aufbruch so gut es ging in die Länge ziehen und kochte mir einen weiteren Tee. Mit dem heißen Getränk in der Hand kroch ich ein zweites Mal unter die Wolldecke auf dem Sofa. Ich zwang mich regelrecht dazu, denn die gemütlich wirkende Ruhe verbreitete kein wohltuendes Gefühl. Was allerdings an mir lag und nicht an meiner Umgebung.
Es war trotzdem gut, dass ich in dieser Wohnung war. Denn manchmal beschlich mich das Gefühl, völlig alleine mit der Krankheit zu sein. In diesen leeren Momenten begann ich, an meinem Leben zu zweifeln. Es war der große Topf des Weltschmerzes, in den ich dann alles schmiss. Der Aufenthalt in dieser Wohnung verdeutlichte mir wieder, dass ich nicht alleine dastand. Ein anderer Freund hatte mir eine CD mit Liedern aufgenommen und ein weiterer rief an, obwohl er das Telefonieren hasste. Ich bekam Bücher über Meditationstechniken und Kerkelings Wanderung geschenkt. Und irgendwelche Energiesteine lagen nun auch unter meinem Bett, obwohl ich im Stillen nicht daran glaubte. Jeder hatte auf seine eigene Art ausgedrückt, dass er an mich dachte und für mich da war. Selbst die Freunde, die noch nichts von meinem Burn-out wussten, würden mir helfen, wenn ich sie darum bat. Da war ich mir sicher.
Am frühen Nachmittag war das Zeitschinden ausgereizt. Einige Zeit würde es zwar noch dauern, bis Birte von der Arbeit nach Hause kam, aber das konnte ich aushalten. Die Regentropfen hatten sich mittlerweile zu Bindfäden aneinandergereiht, als ich durch das Fenster nach draußen ins Dunkelgrau schaute. Ich zog den Reißverschluss meiner Regenjacke bis zur Nase hoch und die Kapuze über den Kopf.
Leise ließ ich die Haustür hinter mir ins Schloss fallen. Ich musste gar keine Rücksicht nehmen, denn schließlich würde ich niemanden stören. Ich machte trotzdem keinen Krach. Es war für mich ein bedächtiger, fast zärtlicher Umgang mit ihrem Zuhause. Meine Behutsamkeit spiegelte die Wertschätzung zu den Freunden wieder.
Ich drehte den Schlüssel im Schloss um und ging durch den Regen nach Hause. Das Schlüsselbund umklammerte ich noch lange Zeit in der geschlossenen Hand, die in meiner Jackentasche steckte. Es war so viel mehr, als nur ein Schlüssel aus kaltem Metall.
Es fühlte sich gut an, das Stückchen Freundschaft.
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D as kleine Land Belize, eingezwängt zwischen Mexiko, Guatemala und dem Karibischen Meer, wirkte auf uns menschenleer. Das lag wahrscheinlich daran, dass es im gesamten Land so viele Einwohner wie in meiner Geburtsstadt Mönchengladbach gab.
Birte und ich wurden von den Einheimischen mit »sister and brother« angesprochen, wobei ihr Herz im Takt von Reggae zu schlagen schien. Durch den weltweiten Sklavenhandel waren vor Jahrhunderten Tausende Menschen aus ihren jeweiligen Heimatländern geraubt worden. Das Blut in ihren Adern war eine Vereinigung aus unterschiedlichsten ethnischen Gruppen. Alles zu einer Zeit, als weltweiter Kolonialismus und Völkermord noch den heroischen Deckmantel »Entdeckertum« und »Zivilisierung« trugen.
Als wir vor der Reise über Belize gelesen hatten, entstand in unseren Köpfen das Bild vom »Paradies für Taucher aus aller Welt«. Mehr nicht, denn der Schwerpunkt der Beschreibung galt den traumhaften Inseln und weniger dem Festland. Für uns Landratten mit einem Fahrzeug waren die Inseln mit der unvergleichlichen Unterwasserwelt umständlich zu erreichen. Deshalb blieben wir auf dem Festland und lernten die Seite von Belize kennen. Für uns schufen die vielfältigen Menschen das Bild dieses Landes und nicht die schillernden Fische und Korallenriffe im Meer.
Wir fuhren langsam durch die Straßen einer Stadt im Landesinneren. Birte und ich
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