Ice
machen und die Bürger sich selbst zu überlassen. Oder?«
Die Schotten dichtmachen …
»Nica, hörst du mir überhaupt zu?«
Ich nicke. Andrew hat recht, ich muss mich zusammenreißen. Das Leben unzähliger lieber Menschen steht auf dem Spiel. Miraja, ihre Ziehtochter, Samantha … Aber auch die Bürger aus White City gilt es zu retten. »Sollte es zum äußersten Notfall kommen und ein Sturz nicht mehr abwendbar sein, verstecken sich die Senatoren und all ihre treuen Gefolgsleute in einem Bunker. Was dann passiert, weiß ich nicht, doch falls das Volk nicht mehr zu besänftigen ist, setzen sich die Regierungsmitglieder in einer der Partnerstädte ab.« Langsam schüttele ich den Kopf. »Aber ich kenne den geheimen Ort nicht. Dieses Wissen ist nur den Ratsmitgliedern vorbehalten.«
Andrew stößt einen Fluch aus. »Gibt es keine Möglichkeit, den Ort herauszufinden?«
»Vielleicht steht etwas in Vaters Computer? Dort sind die Grundsätze des Regimes gespeichert.«
Menschen rennen an der Gasse vorbei, die ganze Stadt scheint in Aufruhr. »Wo sind die feigen Schweine?«, höre ich einen Mann rufen. »Das lassen wir uns nicht mehr gefallen!« Ich zwinkere. Ein Warrior begleitet ihn?
»Nica!« Andrew drückt meinen Oberarm. »Du musst nach Hause zurückkehren, hörst du! Wir brauchen die Daten aus dem Computer. Wenn dein Vater jetzt ohnehin nicht daheim ist …«
Ja, eigentlich keine schlechte Idee, vielleicht laufe ich ihm über den Weg. Dann lässt er mich auch töten. Hoffentlich geht es so schnell wie bei Ice. Er schien sofort tot gewesen zu sein und musste keine Schmerzen leiden, während mir der Schmerz zusetzt wie ein Folterknecht, der sein Opfer an den Rand des Todes treibt, es aber weiterleben lässt, nur damit es noch größere Pein erleidet.
Nein, hör auf, im Selbstmitleid zu ertrinken, Veronica! Das Leben geht weiter, es geht immer irgendwie weiter, und du hast Leben zu retten! Ich sollte Vater töten, immerhin hat er mir das Liebste genommen – wieder ein Mal. Zuerst hat er Mama weggeschickt, jetzt Ice getötet. Es wird Zeit zu kämpfen. Es wird Zeit, dass auch ich mir nicht mehr alles bieten lasse!
Ich strecke meinen Rücken durch und hebe den Kopf. »Was passiert mit Ice?«
»Er wird verbrannt, wie üblich.«
Ein neuer Stich rast durch mein Herz. »Kann ich ihn noch mal sehen?«
Der Warrior – Dean? – tritt zu uns. »Er wurde schon weggebracht. Wir haben auch keine Zeit mehr, wir sollten die allgemeine Unruhe nutzen.«
Ja, ich muss nach vorne blicken. Ich werde tun, was ich tun kann, um dem ganzen hier ein Ende zu setzen. In White City und draußen in Resur gibt es Menschen, die ein Leben haben. Die Kinder und Partner haben. Die glücklich sind. Für deren Zukunft werde ich kämpfen.
Kapitel 11 – Eine neue Ära
Andrew hat mich durch den Park begleitet und in die Nähe des Hochhauses gebracht, in dem Vater und ich wohnen. Als ich die vielen Stockwerke des gläsernen Gebäudes nach oben sehe, steigt erneut Übelkeit auf.
Andrew steht mit mir hinter einem Baum am Rande des Parks und schielt über die Straße zum Haupteingang. Ich erkenne den Pförtner in seiner bordeauxfarbener Uniform. Der ältere Mann verweilt hinter den Glastüren und schaut nach draußen, aufgeregte Menschen laufen davor auf und ab.
Ich lehne mich an den Stamm und spähe ins Blätterdach. Früher habe ich diesen Park geliebt und fast jeden Tag einen Spaziergang gemacht, doch jetzt ist der winzige Flecken Grün nur noch ein Abklatsch dessen, was mich vor der Kuppel erwartet. Da draußen liegt die Freiheit, der blaue Himmel, die Sterne. Ob ich all das noch einmal erblicken werde?
»Werden wir uns wiedersehen, Andrew?« Ich strecke die Hand aus, um über seine Wange zu fahren. Er wirkt angespannt. Obwohl er nur wenig älter ist als ich, hat das Leben schon deutliche Spuren in seinem attraktiven Gesicht hinterlassen. Die Falten, die seine Augen umspielen und sich in seiner Stirn eingegraben haben, erzählen ihre Geschichten. Auch wenn meine Liebe auf Ewig Ice gelten wird, möchte ich Andrew als Freund nicht verlieren. Er bedeutet mir von allen, die mir geblieben sind, am meisten, dicht gefolgt von Miraja. Neben Mama und meiner Schwester, natürlich, doch an sie will ich jetzt nicht denken. Oder eigentlich sollte ich an sie denken, um stark zu bleiben. Mama würde vor Kummer sterben, sollte mir etwas passieren. Sie wird ohnehin vor Angst um mich vergehen, falls Vater ihr von meiner Entführung erzählt
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