Ice
winzigen Blitz, dann zeichnet sich auf Ice’ Shirt ein kleines Loch ab. Genau an der Stelle, wo sein Herz liegt.
Für den Bruchteil einer Sekunde starrt er mir direkt in die Augen, dann sackt sein Körper nach vorne und er hängt reglos in den Ketten.
Nein! Nein! Nein!!!
Andrew dreht mich herum und presst mich an seinen Oberkörper, sodass ich kaum atmen kann. Ich schluchze so lautlos wie möglich, denn es herrscht Totenstille. Keiner jubelt. Alle wirken wie erstarrt.
Man hat einen ihrer Helden gerichtet.
Auch wenn Ice nicht aus dieser Stadt war, so steht er als Symbol für alle Warrior.
Der Schuss war nicht laut, doch der dumpfe Knall hallt immer noch in meinen Ohren nach.
Ich träume, das ist lediglich ein Albtraum. Gleich werde ich neben Ice erwachen und alles ist gut.
Langsam wende ich den Kopf, aber Ice hängt immer noch schlaff in den Ketten. Blut tropft auf den Boden des Podestes, und es ist so still, dass ich glaube, das schaurige, platschende Geräusch trotz der Scheiben zu hören.
Nein, das ist nicht real …
»Dr. Norton, ich will einen Bericht!«, tönt es durch die Lautsprecher. Vater und die anderen Ratsmitglieder sind weiterhin anwesend, wenn auch nicht direkt.
Sofort läuft ein großer, hagerer Mann im weißen Kittel durch den Todesgang auf Ice zu. Ständig sieht er sich um, als hätte er Angst, verfolgt zu werden. Auch die beiden Warrior, die sich immer noch auf der Bühne befinden, mustert er mit hektischem Blick.
Bei Ice angekommen, kontrolliert der Arzt die Vitalzeichen. Dr. Norton schüttelt den Kopf und sagt kaum hörbar: »Er ist tot.«
Tot, tot, tot … hallt das grausame Wort durch meinen Kopf, während Vaters Stimme höhnisch über den Platz schallt. »Seht genau hin! Dieses Schicksal wird jedem drohen, der sich nicht an die Regeln hält. Jedem Bürger. Jedem Krieger.«
In mir ist alles leer und kalt, meine Ohren fühlen sich taub an, mein Körper gehört nicht mehr mir. Ich bekomme kaum mit, dass Andrew mir ständig über den Rücken streichelt und beruhigende Worte flüstert, ich schwebe irgendwie außerhalb meines Körpers.
Ob Ice’ Seele in diesem Moment zum Himmel aufsteigt? Falls ja: Kann sie die Kuppel verlassen? Gibt es überhaupt eine Seele? Blickt Ice in diesem Moment auf mich herab?
Ich sehe nach oben, in der Hoffnung, eine geisterhafte Erscheinung zu erkennen, einen Schatten, eine Wolke, irgendetwas … Mein Verstand will nicht akzeptieren, dass nichts mehr von ihm übrig ist außer seiner Hülle.
Die Warrior machen ihn los, packen ihn unter den Achseln und zerren ihn durch die Gasse zurück. Dabei schleifen seine nackten Füße über den Boden und mit ihm die Eisenkette, die dazwischen hängt.
Passt doch auf , will ich rufen, ihr tut ihm weh!
Aber ihm tut nichts mehr weh, nie wieder.
Als sie ihn an mir vorbeitragen, hoffe ich, er würde den Kopf heben und mir zuzwinkern. Und später würde er zu mir kommen und sagen: »Baby, das war alles nur Show.«
Stattdessen sehe ich seinen reglosen Körper und die Blutspur, die er auf dem Boden hinterlässt.
Andrew zieht mich von der Scheibe weg. »Komm, Nica, wir müssen zum Treffpunkt.«
In mir ist alles tot und kalt und dumpf. Als hätte man mich betäubt.
Ice ist nicht tot, so einen starken Kerl bringt nichts um …
Um uns herum wird es unruhiger, die Leute buhen die Senatoren aus. »Lassen wir uns das gefallen?«, ruft einer. »Dass sie nun schon unsere Krieger richten?«
»Er war ein Verräter!«, ruft ein anderer.
»Du bist ein Verräter, die Senatoren sind Verräter!«
»Was, wenn an dem Video doch etwas dran ist und die Menschen da draußen normal sind? Wenn sogar der Sohn eines Senators überläuft …«
Das Stimmengewirr nimmt zu, es wird geschimpft und diskutiert, Andrew zerrt mich durch die Menschenmenge.
Die Screener sind schwarz, die Show ist vorüber.
Ice ist tot?
Ständig werfe ich einen Blick über meine Schulter zurück auf die Bühne und den gläsernen Gang.
Kein Ice …
Plötzlich höre ich ein Klirren – jemand hat einen Gegenstand auf einen Screener geworfen und die Bildfläche zerstört.
Ich zwinkere. In diesem Zustand habe ich die Bürger niemals zuvor gesehen. Natürlich gibt es immer welche, die sich auflehnen, doch jetzt sind es so viele.
Andrew zieht mich an der Hand hinter sich her in eine enge, düstere Gasse zwischen zwei Hochhäusern. Dort gibt es eine der zahlreichen Eisentüren, die in den Untergrund führt. Hier sollen wir Jax treffen.
Ich will ihn hassen, weil er
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