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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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Wesen unterhalten. Bei dem Gedanken daran lachte sie fast. Plötzlich verdunkelte sich die See. Cassie sah nach oben: Der gewaltige Schatten des Grönlandwals hatte sich vor die Sonne geschoben. Er sah aus, als könnte er ihr Universum verschlingen. Entsetzt schrak Cassie vor der lebenden Sonnenfinsternis zurück, und mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie wenig sie hierhergehörte. Sie war nur noch am Leben, weil jemand anders es so wollte. Was, wenn dieses Wesen seine Meinung änderte? Der Wal zog über sie hinweg, und hinter ihm flutete wieder Sonnenlicht ins Wasser.
    Keine Sekunde länger wollte sie hier unten bleiben. Energisch schwamm sie dem Licht entgegen.
    Eine heftige Strömung traf sie, und Cassie wurde zur Seite geworfen. Die Kapuze glitt ihr vom Kopf, ihr Haar wirbelte im Wasser. Sie versuchte es noch einmal, jetzt jedoch auf diagonalem Weg.
    Ein Schwarm Fische umschloss sie. Dorsche, ihre silbernen Leiber glitzernde Streifen im schräg einfallenden Sonnenlicht. Sie konnte ihre Arme nicht bewegen, ohne sie zu schlagen. Die Fische stießen Cassies Körper mit den Köpfen an, drängten sie nach unten und trieben sie durchs Wasser vorwärts. Cassie schlug wie wild um sich, und der Schwarm stob auseinander.
    Als das Wasser klarer wurde, nahm sie einen schemenhaften Umriss wahr – Korallen. Eine ganze Stadt aus Kalkskeletten ragte vom schlammigen Grund des Meeres empor. Zwischen ihnen wimmelte es nur so von Fischen. Auf seine Weise war dieses Gebilde aus lebenden Wolkenkratzern genauso großartig wie Bärs Schloss.
    Jemand lachte. Cassie wirbelte herum und rief: »Wer ist da?« Im Grunde konnte es jedes Geschöpf gewesen sein, von den rosafarbenen Krustentieren bis hin zu den Kammquallen.
    Es war eine Meerjungfrau.
    Sie saß auf einem salzüberkrusteten Felsen und lachte Ströme von Luftblasen. Ihr Schwanz war über und über mit Fischschuppen bedeckt. Weiter oben, in Höhe des Bauchnabels, gingen sie in silbrig glänzende Menschenhaut über, die sich sanft kräuselte.
    Ohne nachzudenken, entfuhr es Cassie: »Du bist ein Fabelwesen.«
    Das Lachen der Meerjungfrau wurde wilder und rauer. Es klang jetzt wie Meeresbrandung.
    Dorsche knabberten an den Haaren aus Seetang, die den Kopf des Geschöpfes umwehten wie Schlangen das Haupt der Medusa. Cassie bemerkte, dass die Meerjungfrau keine Finger hatte, und eine Erinnerung blitzte auf, eine Erinnerung an eine Geschichte, die die Einheimischen erzählten. Sie musste jenes Wesen vor sich haben, um das sich die Legenden von Sedna rankten, die Wasserfrau der Inuit, deren Vater ihr die Finger abgehackt hatte. »Du bist Sedna«, sagte Cassie. Es musste Monate her sein, dass Bär ihr vom Oberhaupt der Munaqsri des Arktischen Ozeans erzählt hatte.
    Mit einem blitzschnellen Schlag ihrer Schwanzflosse schoss die Meerjungfrau auf sie zu. Cassie riss instinktiv die Arme vors Gesicht. Das Wesen umkreiste sie in einem Wirbel von Luftblasen. »Ich habe auch schon von dir gehört«, sagte Sedna. »Du bist das Mädchen, das man gezwungen hat, den Eisbären zu heiraten, um seine Mutter aus der Festung der Trolle zu befreien.«
    »Niemand hat mich gezwungen«, gab Cassie zurück. »Es war meine freie Entscheidung.« Genau wie sie sich entschieden hatte, Bär zu retten, egal, ob er sie liebte oder nicht. »Ich muss die Festung erreichen, die östlich der Sonne und westlich des Mondes liegt. Wirst du mir helfen?«
    »Der Wal sagt, du trägst einen zukünftigen Munaqsri unter dem Herzen.« Die Meerjungfrau schwamm schneller. Ein wahrer Zyklon von Luftblasen hüllte Cassie ein.
    Sie presste die Hände auf ihren gewölbten Bauch. Im Moment war es nur ein Fötus. »Das Kind ist noch gar nicht geboren, und vielleicht will es ja überhaupt kein Munaqsri sein. Aber Bär lebt. Noch. Bitte, hilf mir! Und wenn schon nicht um meinetwillen, dann den Eisbären zuliebe.«
    »Landbewohner«, meinte die Meerjungfrau abfällig und umkreiste sie ungerührt weiter. Ihr Schwanz peitschte das Wasser.
    Cassie versuchte, ihr mit den Augen zu folgen, aber Sedna war jetzt so schnell, dass ihr Umriss verschwamm. »Es sind beinahe Meeressäugetiere«, sagte Cassie. Diese Theorie war umstritten, doch ihr Vater hatte eine wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema verfasst. Vielleicht konnte die Hüterin des Meeres sich ja mit dieser Erklärung anfreunden. »Blubber, wasserabweisendes Fell, stromlinienförmige Ohren, Schwimmhäute zwischen den Zehen. Sie sind auf dem besten Weg, Meeresbewohner zu werden.« Bitte, lass

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