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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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eine gewaltige Fontäne aus. Schreiend hob Cassie die Hände mit den dicken Handschuhen über den Kopf und duckte sich, als Ströme von eiskaltem Meerwasser auf sie herabregneten. »Du setzt das Leben eines Munaqsri aufs Spiel«, dröhnte der Wal. »Das kann nicht gestattet werden.«
    Neben ihr fauchte der Fuchs und knurrte verärgert: »Du trägst die Zukunft einer ganzen Art in dir und unternimmst dieses Wagnis? Du scheinst den Tod zu suchen.«
    Oh nein! Sie hatte es noch schlimmer gemacht. »Aber ich muss … «
    »Ich kann auf keinen Fall zulassen, dass du einen zukünftigen Munaqsri in Gefahr bringst«, donnerte der Wal.
    »Und ich auch nicht«, stimmte Fluffy zu.
    »Du musst auf dem Eis bleiben. Da gehörst du hin«, verkündete der Wal. Und mit diesen Worten tauchte er ab und türmte eine riesige Woge hinter sich auf.
    Cassie stolperte eilig rückwärts, um der nächsten kalten Dusche zu entgehen. »Wenn ich hierbleibe, werde ich sterben!«, schrie sie ihm nach.
    Sie würde sterben, die Eisbären ebenso, die Füchse auch. Und Bär würde auf ewig gefangen sein an jenem Ort, dessen Bilder Gail jede Nacht schreiend hochschrecken ließen.
    »Die Bären werden sich um dich kümmern, bis das Kind geboren ist«, sagte Fluffy. »Und wenn es erwachsen ist, werden sie einen neuen König haben. Meine Füchse werden leben, und alles wird so sein, wie es soll.«
    Sie schüttelte den Kopf. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie musste es irgendwie schaffen, dass der Wal ihr half. Sie konnte diese Chance nicht sinnlos verstreichen lassen. Es gab nur die eine. »Grönlandwal!«, schrie sie in die Wellen. Konnte er sie noch hören? Bitte, lass ihn mich hören! Immer noch zeigten schäumende, glitzernde Wellen seinen Weg an, und Cassie rief mit aller Kraft der Tiefe zu: »Du willst, dass dieses kostbare Kind lebt? Dann sorge dafür, dass seine Mutter lebt!«
    Dann rannte sie los und stürzte sich kopfüber in den Arktischen Ozean.

Kapitel Zwanzig
    Geografische Breite: 84° 10 ' 46 " N
    Geografische Länge: 74° 22 ' 53 " W
    Höhe: -9,75 m
    Eisige Kälte versengte Cassies Haut. Messer schnitten ihr ins Fleisch, drangen durch bis auf die Knochen. Sie strampelte, trat um sich. In zehn Meter Tiefe warf sie ihren Rucksack ab. Er sank ins Bodenlose.
    Ich werde nicht sterben, dachte sie. Das ist nicht das Ende. Sie sah die Wasseroberfläche: goldgrün. Mit aller Kraft schwamm sie darauf zu.
    Sie konnte ihre Hände nicht spüren.
    Sie hatte keine Arme.
    Keine Beine.
    War völlig gefühllos, brannte wie eine Fackel.
    Ihre Lungen kreischten.
    Goldgrün verwandelte sich in Schwarz.
    Fünfzehn Minuten. Todeswasser.
    Sterben tat weh.
    Und auch wieder nicht.
    Strömungen umhüllten Cassie wie ein wässriger Kokon. Sie wurde durch Schwärme silberner Fische und durchscheinender Quallen getragen. Dorsche umkreisten sie, und Kammquallen streiften sie sanft mit ihren regenbogenfarbenen Flimmerhärchen. Licht – Grün – hing im Wasser wie Staub in der Luft.
    Sie blickte nach unten: Ein Garten leuchtend orangefarbener Seesterne zwischen goldenen Seeanemonen breitete sich unter ihr aus. War das das Paradies? Kleine Hummer krochen über Steine. Spinnenbeinige Krabben huschten auf der Suche nach einem Versteck in wehenden, weichen Strängen von Algen taumelnd über schlammige Stellen. Sie blickte nach oben: Belugas tummelten sich im grünlichen Licht und erfüllten das Wasser mit ihrem Zwitschern und Pfeifen. Sie sah ihnen zu, wie sie über ihr schwammen und sangen. In keinem Paradies gab es Hummer und fröhlich trällernde Belugas. Und in einer Hölle wäre es noch viel seltsamer. Cassie lächelte und schmeckte Salz. Sie war unter Wasser. Und lebte.
    Wie war das möglich? Sie hatte gehofft, der Wal-Munaqsri würde sie retten, aber sie konnte ihn nirgendwo sehen. Er hätte sie berühren müssen, um ihr zu helfen. Doch merkwürdigerweise spürte sie überhaupt keine Berührung. Wer also hielt sie am Leben? Und warm? Und nahm ihr die Schmerzen? »Hallo? Ist da jemand?«, fragte sie gurgelnd.
    Die Gezeiten trugen sie durch Stränge von Algen, weiche grüne Bänder, die sie sanft streiften. Wie ein endloser verwilderter Rasen bedeckten sie nicht nur das lose Eis über ihrem Kopf, sondern auch den kompletten Meeresboden. Cassie betrachtete Schwärme von Krill, die wie dichte Staubwolken im Wasser trieben. »Hallo? Kann einer von euch sprechen?«
    Keine Antwort von den winzigen Garnelen. Sie musste sich also nicht mit den beinah mikroskopisch kleinen

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