Ice Ship - Tödliche Fracht
Meteorit, von Plastikplanen verhüllt und durch das von Rochefort entworfene Netz gesichert. Die Notbeleuchtung warf dämmeriges Licht auf ihn. Der Tankraum sah aus wie immer: trocken und ohne erkennbare Risse in den Außenwänden. Es war eben ein zuverlässiges, in jeder Beziehung besonderes Schiff. Die Idee, den Rumpf durch drei Lagen Stahl zu verstärken, machte sich bezahlt. Und der Meteorit sah selbst unter der Abdeckung noch majestätisch schön aus. Fest und unverrückbar ruhte er in seiner Halterung, Glinn hatte es ja gewusst. Sein Blick suchte die Längs- und Querstreben ab. Es gab etliche Schadstellen, das musste er zugeben: verbogene Spanten, fehlende Metallstücke, Bruchstellen, die von zu starker Belastung herrührten. Rings um die Halterung lag all das herum, was Zeugnis von den unvorstellbaren Kräften gab, die auf Rocheforts Konstruktion eingewirkt hatten: abgesprengte Endverbindungen, gerissene Kettenglieder, zersplittertes Holz. Kein Wunder, dass die Halterung bei jedem Schlingern in allen Fugen ächzte. Aber das Sicherungsnetz sah – zumindest an den Schnittpunkten – intakt aus. Der Fahrstuhl hatte dagegen seinen Geist aufgegeben. Auch gut, dann nahmen sie eben die Treppe. Der Bug hob sich steil nach oben, das Schiff legte sich auf die Seite. Glinn blieb kurz stehen, hielt sich fest, dann stieg er weiter die Stufen hinunter. Es dauerte länger, als er gedacht hatte. Als sie fast unten waren, krängte das Schiff wieder, und zwar in solchem Ausmaß, dass die Treppe nicht mehr nach unten, sondern waagerecht ins Leere zu führen schien. Glinn krampfte sich am Handlauf fest und wartete, bis die Schieflage aufhörte. Jetzt konnte er ihn schon sehen: unter den Planen lugte das glutrote Gestein des Meteoriten hervor. Das beharrliche Ächzen und Stöhnen der Halterung hörte sich schrecklich an, wie eine infernalische Symphonie, aber es hatte nichts zu bedeuten. Als das Schiff sich erneut schräg legte, zog Glinn rasch die goldene Taschenuhr heraus, ließ sie mit ausgestrecktem Arm an der Kette nach unten durchhängen und schätzte den Neigungswinkel ab. Fünfundzwanzig Grad, weit unter dem kritischen Limit. Plötzlich hörte er ein leise grollendes Geräusch und glaubte zu sehen, dass ein Zittern durch den Meteoriten lief. Als der Bug der Rolvaag steil nach oben schoss, folgte der Meteorit der Bewegung. Glinn war sich nicht sicher, ob das Schiff die Bewegung des Meteoriten auslöste oder umgekehrt. Er hatte den Eindruck, dass der rote Koloss sich leicht seitlich verschob, als wolle er seine Halterung durchbrechen – und richtig, da hörte er es auch schon splittern. Rasch ein Blick auf die Uhr: siebenundzwanzig Grad, achtundzwanzig ... Ein Beben lief durch den Schiffsrumpf, dann kam der Tanker in die Senkrechte. Glinn atmete auf. Achtundzwanzig Grad, noch weit unter der Toleranzgrenze. Der Meteorit schob sich von selbst in seiner Wiege zurecht, die kurze Bewegung pflanzte sich als Beben durch den ganzen Tankraum fort. Das schrille metallische Quietschen endete abrupt, und auch der heulende Sturm legte eine Atempause ein, als das Schiff jäh in ein Wellental tauchte. Glinn wusste genau, was er zu tun hatte: die Ankerketten der Halterung straff über den Meteoriten ziehen. Die Vorrichtung war so konstruiert, dass das von einer Person allein erledigt werden konnte, die Knochenarbeit übernahm der eigens für solche Fälle eingebaute Hilfsmotor. Seltsam, dass Garza sich nicht längst darum gekümmert hatte. Er schaltete den Hilfsmotor ein. Grünes Licht, alles funktionierte einwandfrei. Was er natürlich erwartet hatte. Er schob den Hebel in den Vorwärtsgang: Na also, die mächtigen gummiummantelten Ketten, die sich während der ständigen Bewegungen des Meteoriten gelockert hatten, strafften sich prompt. Warum war Garza das nur nicht eingefallen? Der Grund lag auf der Hand: Er war in Panik geraten und hatte die Nerven verloren. Das sah ihm eigentlich überhaupt nicht ähnlich. Aber innerhalb der letzten Stunde hatten ihn so viele enttäuscht, von denen er das nie für möglich gehalten hätte. Umgekehrt konnte ihm das bestimmt keiner nachsagen. Die Ketten lagen straff über den Plastikplanen. »Nehmen Sie den Kasten mit«, wies er Puppup an und deutete auf den Werkzeugkasten, der auf dem Boden stand. Anscheinend hatte Garza es sehr eilig gehabt.Das Schiff bäumte sich auf, die Ketten waren bis zum Äußersten gespannt. Plötzlich ein scharfes ratschendes Geräusch – die Ketten, die er gerade erst
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