Ice Ship - Tödliche Fracht
etwas wert sein – Torres hin oder her. Vielleicht finde ich ihn ja wieder.« Plötzlich verklärte ein Lächeln Comandante Vallenars Gesicht. Er zündete sich vor lauter Begeisterung die Zigarre an, die er sich die ganze Zeit nur zwischen die Lippen gesteckt hatte. »Ich würde den Stein, von dem Sie gesprochen haben, gern erwerben.« »Tja, also ... wenn Sie so daran interessiert sind, wäre es mir eine Ehre, Ihnen den Stein zu geben. Von Kaufen wollen wir dann allerdings nicht reden, Comandante.« Vallenar deutete eine leichte Verbeugung an. »In diesem Fall wäre es mir ein Vergnügen, gleich mit in Ihren Laden zu kommen, um das Geschenk entgegenzunehmen.« Er tat noch einen tiefen Zug an seiner Zigarre und komplimentierte den Gebrauchtwarenhändler mit ausgesuchter Höflichkeit aus seiner Kabine in den stinkenden Hauptflur der Almirante Ramirez.
Rolvaag
9.35 Uhr
Der Bohraufsatz lag vor ihnen auf dem Tisch, die verkohlte Spitze war auf eine dicke Lage Plastik gebettet. Die Deckenstrahler tauchten das Metall und die aufgereihten Geräte in bläuliches Licht. McFarlane hatte sich einen Chirurgenkittel übergezogen, nun schob er sich die Maske vors Gesicht. Der Seegang im Kanal war ungewöhnlich ruhig, die Rolvaag machte keine Schlingerbewegungen. Man hätte meinen können, irgendwo in einem fensterlosen Laborraum auf dem Festland zu sein. »Skalpell, Doktor?«, scherzte Amira. McFarlane schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube, wir haben den Patienten verloren, Schwester.« Was sich durch die Gesichtsmaske wie das Menetekel einer Grabesstimme anhörte. Glinn stand mit verschränkten Armen hinter ihnen und verfolgte das Geschehen stumm. McFarlane schwenkte den Arm des biokularen elektronischen Mikroskops über den Tisch. Der Bildschirm der angeschlossenen Workstation zeigte die gigantisch vergrößerte Bohrerspitze: das aus Albträumen geborene Armageddon mit tief eingeschnittenen Schluchten und geschmolzenen Kämmen. Amira legte eine leere CD in das integrierte Aufzeichnungsgerät. McFarlane zog sich einen Drehsessel heran und stellte die beiden Okulare auf seinen Augenabstand ein. Er ließ den stark vergrößerten Bildausschnitt langsam über das Objekt wandern und suchte Millimeter um Millimeter der Bohrerspitze nach winzigen Splittern ab, die möglicherweise von der Oberfläche des Meteoriten stammen konnten. Doch der sehnlich erwartete leuchtend rote Minipartikel wollte sich nirgendwo zeigen, auch nicht, als er auf UV-Licht umschaltete. Mit einem kurzen Seitenblick nahm er wahr, dass Glinn neben ihn getreten war und wie gebannt auf den Bildschirm starrte. Minute um Minute verstrich – nichts. McFarlane seufzte. »Gehen Sie auf hundertzwanzigfach«, murmelte er. Amira stellte die gewünschte Vergrößerung ein. Die Mondlandschaft sprang McFarlane regelrecht an, sie sah nun noch bizarrer aus. Und wieder krochen die Minuten quälend langsam dahin, während er abermals sorgfältig einen Sektor nach dem anderen absuchte. Amira war genauso frustriert wie er. »Irgendwas muss doch hängen geblieben sein!«, sagte sie, als wolle sie den Bildschirm beschwören. »Und wenn’s ein noch so winziger Staubpartikel ist. Bitte!« McFarlane lehnte sich ernüchtert zurück. »Womöglich kann das Mikroskop ihn aus irgendeinem Grund nicht sichtbar machen.« »Was die Vermutung nahe legen würde, dass der Meteorit von einer undurchdringlichen Kristallstruktur überzogen ist«, konstatierte Amira. »Aus gewöhnlichem Metall besteht er jedenfalls nicht, das steht fest.« McFarlane klappte die beiden Okulare zusammen und schob sie in die Halterung. »Was nun?«, fragte Glinn leise. McFarlane schwenkte seinen Sessel herum, zog sich die Gesichtsmaske herunter und dachte nach. Ihm kam ein Gedanke: »Bleibt noch immer die elektronische Mikrosonde.« »Und was ist das?« »Eine beliebte Untersuchungsmethode in der planetarischen Geologie. Wir haben die nötige Ausrüstung an Bord. Man legt eine Materialprobe in eine Vakuumkammer und beschießt sie mit einem extrem schnellen Elektronenstrahl. Gewöhnlich werden die dabei produzierten Röntgenstrahlen gemessen. Man kann den Elektronenstrahl aber auch so stark erhitzen, dass ein Teil der Materialprobe verdampft und als hauchdünner Film auf einer Goldplatte kondensiert. Damit gewinnt man eine kleine, für weitere Untersuchungen jedoch ausreichende Materialprobe.«
»Wer sagt uns, dass der Elektronenstrahl es schafft, das Meteoritengestein zu verdampfen?« »Die aus einer Glühfaser
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