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Ice Ship - Tödliche Fracht

Titel: Ice Ship - Tödliche Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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wohlgenährter Schmerbauch, dickes Portemonnaie, die Selbstzufriedenheit in Person. Vallenar nahm sich Zeit, die Klinge ein paarmal übers Kinn zu führen, dann erst wandte er sich um und sagte verbindlich lächelnd: »Danke, Mr. Timmer, Sie können gehen. Und sind Sie so freundlich, einen der Männer vor der Tür zu postieren.« Nachdem Timmer weg war, musterte Vallenar seinen Besucher ausgiebig. Sein lässiges Lächeln zeugte von argloser Ahnungslosigkeit. Aber wovor sollte er sich auch fürchten?, dachte Vallenar ohne Bitterkeit. Vor einem Mann, der sich zwar Comandante schimpfte, jedoch das älteste Kriegsschiff der Flotte kommandierte, das im abgelegensten Hafen Chiles stationiert war? Kein Wunder, dass der Zivilist mit frech gerecktem Kinn und stolz geschwellter Brust vor ihm stand und sich einem Comandante ohne Machtbefugnisse haushoch überlegen fühlte. Vallenar nahm einen letzten Zug an seiner Zigarre und warf die Kippe durch das offene Bullauge. Er legte den Einwegrasierer weg, holte mit der gesunden Hand eine Schachtel Zigarren aus der Schreibtischschublade und bot dem Fremden eine an. Der warf angewidert einen Blick auf die billigen puros und lehnte dankend ab. Vallenar war nicht wählerisch, er nahm eine.
    Der Mann grinste herablassend und starrte dreist auf den verstümmelten Arm des Comandante. Vallenar beäugte genauso ungeniert das pomadisierte Haar und die sorgfältig manikürten Fingernägel des Schmerbäuchigen. »Nehmen Sie bitte Platz, mein Freund«, sagte er. »Ich bitte um Nachsicht, wenn ich mich während unserer Unterhaltung weiterrasiere.« Der Mann ließ sich auf dem Besucherstuhl nieder und schlug affektiert die Beine übereinander. »Man hat mir gesagt, dass Sie mit gebrauchten elektronischen Geräten handeln – Computer, Drucker, Kopierer und dergleichen«, begann Vallenar. »Stimmt das?« »Gebrauchte und neue Geräte«, erwiderte der Mann. »Ich nehme die Korrektur zur Kenntnis.« Dann trat eine Pause ein, weil Vallenar sich über der Oberlippe rasierte. »Vor etwa vier oder fünf Monaten, es muss im März gewesen sein, sollen Sie ein Gerät gekauft haben, das gewöhnlich von Goldsuchern und Geologen benutzt wird. Ein tomographisches Echolot mit langen, stangenförmigen Sensoren und einem integrierten Keyboard. Bin ich da richtig unterrichtet?« »Mi Comandante, ich wickle so viele Geschäfte ab, dass ich mich unmöglich an jedes Schrottteil erinnern kann, das mir jemand anschleppt.« Vallenar drehte sich um. »Von Schrott habe ich nichts gesagt. Aber Sie handeln mit solchen Geräten, nicht wahr? Mit gebrauchten und neuen, haben Sie gesagt.« Der Gebrauchtwarenhändler zuckte die Achseln und hob grinsend die Hände. Es war die Art Grinsen, die Vallenar schon zigmal gesehen hatte – bei engstirnigen Bürokraten, Behördenleitern und Geschäftsleuten. Ein Grinsen, das deutlich ausdrückte: Bevor du mir nicht meine mordida hinblätterst, kann ich mich an nichts erinnern. Zuletzt war er damit vor einer Woche auf der Zollstation in Puerto Williams konfrontiert gewesen. Und doch hegte er keinen Zorn auf den Schmerbäuchigen, der tat ihm eher Leid. Er war nicht unmoralisch geboren worden, sondern hatte sich die Spielregeln der Korruption erst im Lauf seines Krämerlebens angeeignet. Ein Symptom für den allenthalben um sich greifenden Verfall der Sitten. Vallenar kam um den Schreibtisch herum und hockte sich auf die Tischkante, dicht neben den Dicken. Beim Versuch, dem Mann zuzulächeln, merkte er, dass ihm der Rasierschaum schon auf der Haut zu trocknen begann. Der Dicke zwinkerte ihm unverfroren zu, legte die manikürten Hände auf die Schreibtischplatte und rieb grinsend Daumen und Zeigefinger aneinander – eine Geste, die überall auf der Welt verstanden wird. Vallenars Hand schoss blitzschnell vor, und ehe der Schmerbäuchige wusste, wie ihm geschah, schnitt schon die Doppelklinge des Rasierers in den halbmondförmigen Nagel seines Mittelfingers. Der Mann japste nach Luft und sah den Comandante erschrocken an. Vallenar erwiderte den Blick mit Unschuldsmiene, bis er plötzlich mit einem kräftigen Ruck am Rasierer den Nagel kappte. Der Mann schrie auf. Vallenar schüttelte den blutigen Fingernagel aus dem Rasierer, kehrte zum Waschbecken zurück und setzte, ungerührt vom lauten Gejammer des Gebrauchtwarenhändlers, in aller Ruhe seine Rasur fort. Es störte ihn nur, dass die Klingen jetzt etwas unregelmäßiger griffen, offenbar hatte sich ein Stück Fingernagel verklemmt. Er

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