Ice
Vorgärten vorbei, auf Mirajas Haus zu. Es ist hellblau, besitzt unterschiedlich große Fenster und eine knallrote Haustür, die einem schon von Weitem entgegenleuchtet. Kurz bevor ich ihr Haus erreiche, laufen mir Sonja – eine gute Freundin von Andrew – und ihr Gefährte Nitro über den Weg. Der blonde Warrior und die schwarzhaarige Frau sind in meinem Alter und offensichtlich immer noch frisch verliebt, wie sie so händchenhaltend entlanggehen. Sie sind vor zehn Monaten mit Sonjas Sohn Noel in diese Straße gezogen. Der siebenjährige Junge ist aber oft bei seiner Oma, die in der Pyramide lebt. Dort geht er auch zur Schule. Miraja findet großes Vergnügen daran, die Kinder zu unterrichten und ihnen Lesen und Schreiben beizubringen. Außerdem baut sie mit Sonja gerade ein Waisenhaus auf.
»Hi, schön, dich mal wieder hier zu sehen!« Sonja begrüßt mich mit einer Umarmung, während Nitro mir lediglich zunickt. Der große, schlanke Krieger sieht wild aus mit seinem silbernen Ring im Ohr und den kurz geschorenen Haaren, aber ich weiß von Sonja, dass er anderen Menschen gegenüber eher verschlossen ist. Die beiden hatten einen schweren Start, umso mehr freut es mich, dass sie glücklich miteinander sind.
Sonjas Augen strahlen. »Habt ihr Lust, heute Abend mit uns zum Jahrmarkt zu kommen?«
Zur Ein-Jahr-Feier und um die Menschen beider Städte einander näher zu bringen, wurden vor der Pyramide Buden und Fahrgeschäfte aufgebaut. In der Nähe von Resur hat es früher einen Vergnügungspark gegeben, und einige dieser Attraktionen waren noch so gut erhalten, dass sie repariert und aufgemöbelt werden konnten.
»Da muss ich leider passen, wir sind erst in zwei Tagen wieder da. Ice und ich machen einen längeren Ausflug. Aber am Sonntag wollen wir hin.« Da muss ich eine Rede halten.
»Dann sieht man sich vielleicht.« Sonja und Nitro verabschieden sich und gehen weiter.
In dem Moment tritt Kia aus der knallroten Haustür und hockt sich auf die Stufe davor. Wie immer hat sie ihre Sportarmbrust dabei. Mit einem Werkzeug schraubt sie daran herum.
»Hi, Veronica!«, ruft sie durch den Vorgarten und winkt mir.
»Hi, Süße!«
Das Mädchen hat sich in diesem einen Jahr, seit ich sie kenne, enorm verändert. Mittlerweile ist sie so groß wie ich und eine richtige junge Lady. Sie wird den Jungs bald die Köpfe verdrehen – wenn sie sich etwas damenhafter benehmen würde. Sie trägt zerschlissene Jeans und ein eng anliegendes lila Shirt, ihre langen schwarzen Haare hat sie zu vielen Zöpfchen geflochten. Sie sieht eher aus wie eine Kriegerin. Crome hat ihr sogar erlaubt, am Training teilzunehmen.
»Ist Miraja da?«, frage ich, als ich vor dem Haus ankomme.
»Hinten im Garten«, antwortet sie, ohne aufzublicken. Ihre Armbrust ist ihr Ein und Alles, Kia hatte sie von ihrem verstorbenen Dad geschenkt bekommen. Jetzt sind Miraja und Crome ihre neuen Eltern, und die drei sind eine richtig hübsche Familie.
Ich gehe an ihr vorbei ins Haus und durch die Küche. Der hintere Teil des Gebäudes, der auf die Veranda und den Garten zeigt, besteht fast nur aus Glas, die große Flügeltür ist geöffnet. Ich bleibe am Esstisch stehen und beobachte Miraja und Crome, die auf der Wiese miteinander rangeln. Zumindest sieht es so aus.
Plötzlich liegt Crome auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt, und Miraja setzt sich in Siegerpose auf seinen Schoß. »Ja, ich hab’s geschafft!«
»Fast, Kätzchen, ich kann zumindest noch sprechen. Daher sage ich dir: Du sollst dich nicht so anstrengen.«
Lachend verdreht sie die Augen. »Ich bin nicht krank. Tatsächlich fühle ich mich großartig.« Sie legt die Hände auf ihr winziges Bäuchlein, das man unter der Bluse bereits erahnen kann. Miraja ist im vierten Monat schwanger. Mit der Technik aus White City war es für Samantha kein Problem, den beiden den Wunsch nach einem eigenen Kind zu erfüllen. Crome versucht seitdem, ihr jede Arbeit abzunehmen. Er sorgt sich ungemein um seine Partnerin.
Miraja schiebt beide Hände unter sein Shirt, sodass sein flacher Bauch zum Vorschein kommt. »Also, was habe ich diesmal falsch gemacht? Du kannst dich nicht bewegen, aber noch sprechen.«
Crome grinst verschmitzt und lässt sich ihre Streicheleinheiten sichtlich gefallen. »Ich zeige dir die richtige Druckpunkttechnik lieber, wenn das Kind auf der Welt ist. Vielleicht brauchst du mal meine Hilfe und dann liege ich hier blöd rum.«
»Ausrede«, säuselt sie und küsst ihn.
Ich komme
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