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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Köpfen, durstig, müde, schattenlos in der Weite der Wiesen. Die Fenster der Häuser standen offen.
    Mit offenem Hemd, die Ärmel hochgeschoben, trat Willy Sänger auf die Pedale seines Fahrrades. Helga Krämer, die vor ihm herfuhr, wischte sich ab und zu den Schweiß von der Stirn. Ihr bunter Rock flatterte durch die Luft.
    Sie fuhren wieder zu dem Waldstück hin, zu dem stillen, verborgenen See inmitten des Schilfes und der blühenden Büsche, des Ginsters und der Wand aus schlanken weißrindigen Birken. An diesem See war es kühl. Sie würden wieder am flachen Ufer liegen. Und still würde es um sie sein. So wundervoll still.
    Willy Sänger trat fester auf die Pedale. Er fuhr an Helgas Seite und legte beim Fahren seinen Arm um ihre Schulter.
    »Müde, Helga?« fragte er.
    »Ein bißchen.«
    »Noch eine Viertelstunde, dann sind wir am See.« Er beugte sich während des Fahrens zu ihr hinüber und küßte sie in den Nacken. Sie lachte und fuhr ihm davon, den Kopf über die Lenkstange gebeugt, mit fliegenden Haaren. Ein übermütiges, verliebtes, glückliches Mädchen.
    Willy Sänger ließ ihr den Triumph des Ausreißens. Nachdem er die Unterredung mit dem Vater Helgas, dem Oberamtmann Krämer, seinem Vorgesetzten, bewältigt hatte, gab es nichts mehr auf der Welt als sein Glück, Helga zu besitzen.
    Mit diesem Gespräch waren für Willy und Helga die Pforten eines Paradieses aufgestoßen worden. Sie verlegten es an ihren stillen, unbekannten See mit den buschigen Ufern und den blühenden Hecken, den in den Himmel trillernden Lerchen und dem dunklen Rauschen der Fichten und Kiefern.
    Heute nun schoben sie die Räder über den schmalen Waldweg, zogen sich aus und lagen im Badeanzug in der warmen Dämmerung des Baumschatten. Vor ihnen schimmerte der See wie geschmolzenes Silber.
    »In zwei Jahren bin ich Obersekretär«, sagte Willy Sänger und legte den Arm um die Schulter Helgas. Er hatte die Augen geschlossen und träumte. »Wir werden uns ein Häuschen bauen … Seit zwei Jahren bin ich in der Bausparkasse. Es wird alles so sein, wie es im Märchenbuch steht: Und sie lebten glücklich viele, viele Jahre …«
    Helga legte ihre Hand auf seinen Arm.
    »Dort hinten brennt es«, sagte Helga plötzlich.
    Willy Sänger stützte sich auf die Ellenbogen. »Da hat einer seine Zigarette weggeworfen«, sagte er. »Solch ein Idiot! Das kann den schönsten Waldbrand geben. Ich geh hinüber und trete es aus …«
    Willy Sänger erhob sich und ging dem Ufer zu.
    Hinter seinem Gebüsch kauerte Joe Dicaccio. Er sah, wie Willy Sänger auf ihn zukam. Als die beiden Menschen an den See kamen, hatte Dicaccio schnell versucht, das Feuer zu löschen. Er hatte Moos darüber geworfen, hatte es zertreten … aber es schwelte weiter, und der Rauch stieg in den Himmel.
    »Damned!« sagte Dicaccio leise. Er schob das halb verschmorte Fleisch zur Seite. Eine Krähe, die er am Abend geschossen hatte, als sie am See stand. Oh, Dicaccio konnte schießen.
    Jetzt hockte er hinter dem Busch. Er hielt die Pistole in der Hand. Langsam kam Willy Sänger näher. Das schwelende Feuer erstickte.
    Laß ihn nicht noch näherkommen, dachte Dicaccio. Laß ihn bloß nicht kommen. Ich muß sonst schießen … leider. Ich werde nicht anders können.
    Er lauerte hinter dem Busch und sah zu Willy Sänger hinüber. Dieser sah auf den dünner werdenden Rauchfaden.
    Geh nicht weiter, dachte Dicaccio. Er flehte es fast. Geh nicht weiter. Geh doch nicht. Wenn ich schießen muß, bist du mein erster Mord. Und du lebst doch so gerne, ich sehe es dir an. Du lebst so gerne wie ich.
    Willy Sänger ging weiter.
    Er stand vor dem Busch, hinter dem Dicaccio kauerte. Nur das Astwerk und die Blätter trennten sie voneinander. Fünfzig Zentimeter zwischen Tod und Leben. Dicaccio hatte die Pistole erhoben. Er zielte auf die Stirn Willy Sängers. Der Kopf ist immer sicher, dachte er dabei. Und es geht schnell. Er hört nicht einmal mehr den Abschuß. Er wird einen Schlag gegen die Stirn bekommen und dann nichts mehr wissen. Ein gnädiges Sterben. Gnädiger als der elektrische Stuhl, auf den ich kommen werde, wenn er mich entdeckt.
    Willy Sänger ging hinein in die zielende Pistolenmündung, als er plötzlich ein Stück Stoff bemerkte. Nur den Schimmer eines Stoffes, eine andere Färbung inmitten des grünen Blattwerkes. Sein Gehirn nahm es mit einem Zucken der Warnung auf. Die geheimnisvolle Reaktion des Instinktes ließ ihn sich zu Boden werfen, in dem gleichen Augenblick, in dem

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