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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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…«
    »Sage dieses Wort nicht!« schrie Dechant Ahrens auf.
    Meyer hob die Schultern. Sein Gesicht war fahl.
    »Der Fünfte liegt über vier Jahre zurück. Es war der Händler, dessen Schecks ich fälschte. Man hatte es mir nie nachweisen können. Es ist schwer, etwas nachzuweisen, wenn man den Mord zu einer Wissenschaft macht. Jetzt bin ich allein auf der Welt, Herr Dechant. Ganz allein. Meine Feinde sind tot. Ich habe eine wundervolle Ruhe in mir.«
    »Was hast du?« fragte Dechant Ahrens tonlos.
    »Ruhe –«
    »Und dein Gewissen?«
    »Was ist Gewissen?«
    »Die Angst vor Gott!«
    »Wo ist Gott?«
    »Überall! Um dich, in dir …«
    »In mir?« Meyer schüttelte heftig den Kopf.
    »Was willst du noch hier?« fragte Dechant Ahrens.
    »Ich wollte Ihnen das alles nur sagen, Herr Dechant. In einer halben Stunde bin ich fort. Und ich kann beruhigt gehen, denn Sie sind ja an Ihre Schweigepflicht gebunden …«
    Dechant Ahrens schnellte aus dem Sessel hervor. »Du mußt dich der irdischen Gerechtigkeit stellen!« sagte er, immer noch tief die Sommerluft einatmend.
    »Ich denke nicht daran«, sagte Kurt Meyer.
    »Du mußt deine Taten sühnen.«
    »Bitte, reden Sie nicht in dieser altmodischen Art mit mir, Herr Dechant.« Kurt Meyer sagte es unwillig. »Wer bin ich denn, daß er so dumm mit mir spricht? Auf Gottes Strafe«, sagte er, »bin ich gespannt. Das ist das einzige. Eine Spannung, ob es überhaupt einen Gott gibt, der mich straft. Oder ob dieser Gott nur auf den Dünndruckseiten der Bibel steht.« Meyer sah an die Decke, über die das gelbe Licht der Sonne kroch. »Die irdische Gerechtigkeit? Glauben Sie, daß es die gibt? Ich kenne das Zuchthaus – Glauben Sie, das Zuchthaus könnte mich erschrecken?«
    »Sie werden aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen –«
    »Ich bitte Sie!« Herr Meyer schüttelte den Kopf.
    Dechant Ahrens legte die Hände auf die hölzerne Fensterbank.
    »Es ekelt mich an, Sie weiter anzuhören«, sagte er.
    »Sagen Sie ruhig – ich bringe Sie zum Kotzen! Es ist kein feines Wort, aber es trifft so gut Ihre Verfassung. Wäre ich Sie, Herr Dechant, würde ich mich längst hinausgeworfen haben.«
    »Sie sind zu mir gekommen als ein Hilfesuchender –«
    »Durchaus nicht.«
    »Als ein Beichtender.«
    »Mit Vorbehalten! Ich habe von Ihnen keinerlei Absolution erwartet. Was Sie tun können, ist, mich ermahnen, mich der Polizei zu stellen. Das ist genau das, was ich nicht tun werde.«
    Dechant Ahrens schloß das Fenster. Die frische Sommerluft hatte sein Inneres beruhigt. Er konnte Meyer wieder ohne Ekel in die starren Fischaugen sehen.
    »Sie wollen sich nicht stellen?« fragte er.
    »Trauen Sie mir einen solchen Irrsinn zu?«
    »Warum sind Sie dann zu mir gekommen?«
    »Aus Zynismus, Herr Dechant. Nur aus Zynismus. Vielleicht auch aus Dankbarkeit.«
    »Sie sind der Satan persönlich!« stöhnte Dechant Ahrens. »Ich werde Wochen beten müssen, um Sie zu vergessen.«
    »Das wäre ein Fehler. Sie sollen mich nicht vergessen, Herr Dechant. Ich bin nur ein kleiner Buchhalter. Ich weiß … ich bin ein Massenmensch. Ich brauche nur in den Spiegel zu sehen, um zu erkennen: Da steht eine Null! Aber diese Null hat fünf andere Menschen aufgesaugt. Das sollten Sie nie vergessen. Und jetzt darf ich gehen –«
    »Schnell – Gehen Sie!« Dechant Ahrens rannte zur Tür und riß sie fast aus den Angeln. »Hinaus! Hinaus!« sagte er zitternd.
    Kurt Meyer nickte. Er knöpfte seinen Rock langsam zu und sah sich noch einmal im Zimmer um.
    »So wirft man einen Menschen hinaus. Aus einem Pfarrhaus. Soso. Anstatt mit ihm zu diskutieren, wirft man ihn hinaus. Ich behalte mein Leben, und wenn ich den fünf Menschen noch fünfzig andere folgen lasse. Keine Sorge – ich bin mit den fünf zufrieden. Ich werde ein friedlicher Bürger werden.« Kurt Meyer stand in der Tür zwischen Zimmer und Hausflur. Er sah zu Dechant Ahrens hin, der mit abgewandtem Gesicht, als stänke Meyer, die Tür offenhielt. »Das wollte ich Ihnen noch sagen, Herr Dechant. Vergessen Sie es nicht. Und ich konnte es Ihnen sagen, Ihnen allein auf der großen weiten Welt, weil Sie schweigen müssen. Guten Tag, Herr Dechant.«
    Er nickte freundlich und ging an der Haushälterin vorbei, die ihn aus dem Haus ließ. Er ging beschwingten Schrittes, die Arme hin und her schwenkend.
    Ein unscheinbarer Bürger.
    Der Sonntag war heiß.
    Über den Wäldern lag der Glast aufsteigender Bodenfeuchtigkeit. Auf den Feldern stand das Vieh mit hängenden

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