Ich beantrage Todesstrafe
Hand, als wolle er die erregten Worte des jungen Staatsanwaltes abwehren. Dabei schüttelte er den Kopf.
»Bitte, erregen Sie sich nicht, Herr Doernberg. Ich war siebzehn Jahre lang Staatsanwalt, ehe ich in den Ministerialdienst überging. Ich habe die Ära der Fallbeile dort mitgemacht, wo sie am grausigsten ist: gegenüber der Guillotine. Ich komme aus der Praxis – und deshalb möchte ich mit Ihnen keine Meinungen austauschen, sondern das Gesamtproblem Todesstrafe angehen … Das Problem als letzte Stufe zur Erhaltung der Sittlichkeit. Sagten Sie nicht, Herr Karlssen, daß es ein sittliches Problem ist?«
»Genau, Herr Minister.«
»Sie halten es also für sittlich, einen Kopf abzuschlagen?«
Oberstaatsanwalt Dr. Karlssen spürte die Fangfrage. Er wich ihr aus.
»Sie wollten doch nicht meine Meinung hören, Herr Minister.«
»Stimmt.« Burrmeister winkte. »Bitte, setzen Sie sich doch, meine Herren. Auch Sie, Herr Dr. Feind.« Er lächelte. »Darf ich die Herren miteinander bekannt machen – dort zwei Herren mit Rekonstruktionsplänen der Guillotine im Kopf – dort ein Herr, der sich Ihnen gern anschließen möchte.«
Staatsanwalt Dr. Doernberg stellte sich hinter seinen Sessel. »Ich glaube, Herr Minister«, sagte er fest, »daß die Haltung Dr. Feinds doch symptomatisch ist. Es gibt heute nur noch wenige Praktiker in der Justiz, die für eingestandene und vollkommene Kapitalverbrechen nicht an Todesstrafe denken.«
»Als Abschreckung?«
»Und als Sühne.«
»Theoretisieren wir einmal, meine Herren. Sagen wir – gut! Wir führen die Todesstrafe ein! Für welche Delikte aber?«
»Paragraph zweihundertelf Strafgesetzbuch«, sagte Dr. Karlssen sofort. »Mord aus Mordlust, aus Habgier oder sonstigen niedrigen Beweggründen. Mord, um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken. Mord, heimtückisch, grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln.«
Burrmeister sah auf seine brennende Zigarette. »Angenommen. Das ist also alles?«
»Nein«, sagte Dr. Doernberg schnell. Der Minister blickte erstaunt auf.
»Sie haben noch andere todesstrafenwürdige Delikte?«
»Ich würde in den Paragraphen der Todesstrafe alles einbauen, was man unter der Überschrift ›Gefährliche Gewalt- und gefährliche Gewohnheitsverbrecher‹ zusammenfassen könnte.«
Dr. Karlssen sah kritisch zu Dr. Doernberg hinüber. Er schießt über das Ziel hinaus, durchfuhr es ihn. Der Junge ist zu temperamentvoll. Er hatte ein wenig Furcht, daß Doernberg weitersprechen würde. Minister Burrmeister lächelte leicht. Er spürte den kleinen Riß in der Front der drei Juristen und fuhr mit seiner Frage mitten hinein in die Lücke.
»Könnten Sie mir den Begriff genauer umreißen, Herr Staatsanwalt?«
»Gern, Herr Minister.« Dr. Doernberg sah nicht die warnenden Blicke Karlssens. »Ich würde mit der Todesstrafe folgende Verbrechen belegen: Attentate auf Flugzeuge, Schiffe oder Eisenbahnen, überhaupt auf alle von Menschen benutzten Verkehrsmittel; räuberische Taxiüberfälle, ganz gleich, ob mit oder ohne Todesfolge; Brandstiftung an bewohnten Gebäuden; räuberische oder von Todesfolge begleitete Kindesentführung; Raub unter Benutzung von Schußwaffen, vor allem Bankraub; Sprengstoffattentate, Versenden von Höllenmaschinen und dergleichen mit Todesfolge.
Über Grenzfälle von Gewalttaten, wie Antreiben eines Unzurechnungsfähigen zum Selbstmord, durch Drohung oder Zwang verübter Selbstmord, Mord durch Hypnose – wobei die Hypnose als psychische Gewalt gewertet werden muß – sollte man von Fall zu Fall abstimmen, da hierbei die näheren Umstände und Motive ausschlaggebend sind.«
»Sehr schön.« Minister Burrmeister sah Dr. Doernberg starr an. »Sie vertreten also die Ansicht, daß jedes der von Ihnen soeben aufgezählten Verbrechen todeswürdig ist?«
Karlssen drehte sich schroff herum. »Kollege Doernberg ist ein wenig zu scharf ins Zeug gegangen. Mord – ohne Kommentar. Kindesraub – Bankraub – Taxiüberfälle – auch darin sind wir uns einig! Aber Brandstiftung?«
Dr. Doernberg nickte heftig. »Wenn jemand einen Brand an ein bewohntes Gebäude legt, muß er damit rechnen, daß die Bewohner verbrennen. Es ist also Vorsatz! Der Vorsatz aber genügt, um die Todesstrafe zu rechtfertigen.« Karlssen hob die Hand, aber Doernberg sprach schnell weiter. »Das gleiche gilt bei Attentaten auf Flugzeuge, Schiffe oder Eisenbahnen. Ich begehe diese Attentate mit dem Wissen, daß dabei Menschen zu Schaden kommen oder
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