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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schüttelte mild den Kopf. In seinen Augen war ein Zug Trauer oder auch Mitleid.
    »Ich werde den schönen Chor wohl nie mitsingen können«, sagte er mit belegter Stimme. Dechant Ahrens, der gerade zum Büfett ging, um eine Flasche Rotwein zu holen, fuhr herum.
    »Wie meinen Sie das, Herr Schultze?«
    »Ich ziehe von hier weg, Herr Dechant. Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich vor meinem Weggang von Bonn noch zu Ihnen kommen soll. Dann habe ich mir gedacht … ich möchte beichten, Herr Dechant.«
    »Beichten? Hier? In meiner Wohnung? Gehen wir –«
    »Bitte, nein.« Meyer mit y hob wieder die Hand. Er trat ein paar Schritte näher und blieb vor Dechant Ahrens stehen. »Ich werde in einer Stunde schon nicht mehr in dieser Stadt sein.«
    »So schnell, Herr Schultze?«
    Meyer nickte. Er sah Dechant Ahrens aus schrägen Augen an. »Ist alles, was ich Ihnen sage, in Ihre Schweigepflicht eingeschlossen?«
    »Alles.« Der Dechant Ahrens verspürte ein unangenehmes Gefühl. »Was wollen Sie mir sagen?«
    »Daß ich ein Mörder bin …«
    Dechant Ahrens hielt den Atem an. Wie eine Faust traf ihn dieser Satz. Er schloß die Augen und öffnete sie langsam wieder. Er sah in das lächelnde, graue, gemütliche Gesicht Kurt Meyers mit y. Er sah in Augen, die starr waren wie die eines Fisches. Augen eines Mörders.
    Ein Schauer durchlief ihn.
    Da steht einer und sagt zu mir: ›Ich bin ein Mörder.‹ Wirklich und wahrhaftig, ich träume nicht … er steht da. Und er lächelt. Ein Mörder. Und draußen scheint die Sonne, die Blumen blühen an den Fenstern. Die Glocken läuten, die Glocken meiner Kirche. Da hat er immer gestanden, dieser Mann dort, der sich Mörder nennt, hat da gestanden, das Notenblatt in der Hand und hat gesungen. Ehre sei Gott in der Höhe … Wer nur den lieben Gott läßt walten … Herr, meine Seele fliegt zu Dir … Jeden Morgen will ich vertilgen alle Gottlosen im Lande, daß ich alle Übeltäter ausrotte aus der Stadt des Herrn … Psalm 101 … o mein Gott …
    Dechant Ahrens senkte den Kopf.
    »Wen hast du getötet, Schultze?« fragte er.
    »Ich heiße nicht Schultze? Ich heiße Meyer. Meyer mit y …«
    »Wen hast du gemordet?« fragte der Dechant mit zitternder Stimme.
    Kurt Meyer sah hinaus aus dem Fenster.
    »Fünf Menschen, Herr Dechant.«
    »Fünf –«, sagte der Dechant atemlos.
    »Ja, fünf. Vier Männer und eine Frau … Meine Frau, Herr Dechant, die mich verriet und mich ins Zuchthaus brachte. Für vier Jahre. Wissen Sie, was vier Jahre Zuchthaus sind? Vier Jahre Kampf mit den Wachtmeistern, mit den Kalfaktoren, mit dem Direktor, dem Zuchthauspfleger, dem Pfarrer, den Vorarbeitern in den Werkstätten? Vier Jahre in einer Zelle, nur weil das Aas, das meine Frau ist, mich verraten hat? Ich habe sie erschlagen, am gleichen Tag, an dem ich freigelassen wurde.
    Dann habe ich meine beiden Freunde getötet … den einen mit Gas, den anderen im Rhein. Sie haben beide gejammert, Herr Dechant. So gejammert. Schweinehunde, habe ich gesagt. Ihr habt mich verpfiffen, ihr habt mich ausgeliefert. Geht zum Teufel! Es war schwer, dem einen den Gasschlauch in den Mund zu stecken … aber ich stand dahinter und hätte ihn erschlagen. Ich bin bei ihm geblieben, bis er umfiel, den Schlauch im Mund. Wie bei einer Magenspülung … es sah sehr komisch aus …«
    Dechant Ahrens krümmte sich in seinem Sessel … Gott, o Gott – ist das noch ein Mensch? Und dieser – Mensch sang Deine Lieder und übte den Chor für das Erntedankfest ein.
    Kurt Meyer sprach weiter. Sanft, tonlos, verbindlich, die Hände vor dem Leib gefaltet.
    »Das mit dem Rhein ging schneller. Er konnte nicht schwimmen. Ich stieß ihn vom Ufer hinein. Er schrie. ›Mutter‹, schrie er immer. ›Mutter!‹ Dann gurgelte er, warf die Arme aus dem Wasser und flehte mich an. ›Kurt, rette mich! Kurt, ich will alles für dich tun! Kurt, das kannst du doch nicht tun! Kurt!‹
    Immer wieder ›Kurt! Kurt!‹ Da habe ich den Motor des gemieteten Wagens laufen lassen. Der Motor war lauter. Als ich ihn abstellte, war er im Rhein abgetrieben.«
    Dechant Ahrens drehte den Kopf weg. Der Atem Meyers nahm ihm die Luft. Der Geruch dieses Menschen betäubte ihn vor Ekel.
    »Der Sachverständige, der meine Schrift auf den gefälschten Schecks erkannte, verschwand. Ich habe ihn in einem Wald begraben. Es war kein Problem, Herr Dechant. Ein dürrer, blutleerer Greis. Mit der flachen Hand habe ich ihn erschlagen. Schmerzlos … das kann ich schwören

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